Sitzung des Ausschusses Umwelt, Natur, Sicherheit und Ordnung am 18.03.2021;
Beschlussvorschlag zum Tagesordnungspunkt 4 (Antrag auf Förderung gemäß Richtlinie Biotopvernetzung; Herr Heinrich Blumenberg)
Beschlussvorschlag:
„Dem von Herrn Blumenberg am 15.12.2020 beantragten Zuschuss wird für das Abflachen des Ufers an einer Stelle des Teiches, die Schaffung von max. zwei Laichtümpeln und die Schaffung einer Blühwiese wie beantragt zugestimmt unter dem Vorbehalt, dass nur solche Maßnahmen gefördert werden, die vor ihrer Ausführung hinsichtlich Orte, Art und Umfang vom Landkreis Hildesheim festgelegt worden sind. Soweit Kosten für die Entsorgung von Bodenaushub anfallen, werden sie max. bis zu dem Betrag gefördert, der für die Entfernung von Bäumen beantragt ist.
Die Verwaltung wird beauftragt, mit dem Antragssteller die einzelnen Maßnahmen vor ihrer Ausführung hinsichtlich Orte, Art und Umfang festzulegen und dafür ohne Anforderung neuer Anträge oder weiterer Unterlagen im jeweils erforderlichen Umfang Befreiungen, Erlaubnisse, Freistellungen usw. auszusprechen. Für die Förderung sind keine über die Förderrichtlinie hinausgehenden Anforderungen zu stellen. Die Verwaltung wird gebeten, über die Umsetzung des Beschlusses in der nächsten Sitzung des Umweltausschusses zu berichten.
Begründung:
1.Beantragt ist eine Förderung von insg. ca. 5.800 €. Der Antrag bezieht sich auf ein Grundstück des Herrn Blumenberg (eine Wiese von ca. 100 mal 400 Meter an einem Teich mit ca. 300 Meter Durchmesser). Der Antragsteller möchte dort aufgrund einer Abstimmung mit der Paul-Feindt-Stiftung aus dem Jahre 2017
a) einige Bäume entfernen und
b) die Wiese, die er seit Jahren erhält und pflegt, zu einer Blühwiese entwickeln, was naturschutzfachlich allgemein als erstrebenswert anerkannt ist.
Das Teichufer möchte er c) an einer noch zu bestimmenden Stelle abflachen, um die Vielfallt des Lebensraumes durch den Bereich „Flachwasser“ zu erweitern.
Und d) möchte er ggf. zwei der auf der Wiese vorhandenen Mulden zu „Laichgewässern“ vertiefen. Dies ist naturschutzfachlich zumindest nach Auffassung der Paul-Feindt-Stiftung und eines anerkannten Landschaftsplaners und arrivierten Biologen für den Natur- und Artenschutz sinnvoll. Ausdrücklich erfolgte der Hinweis, dass die Anlegung einiger „Laichgewässer“ auf der Wiese zwischen den beiden bestehenden Gewässern eine Lebensraumerweiterung für Arten temporärer Gewässer oder zumindest fischfreier Gewässer aus dem nahen Abbaugebiet Koldingen sei.
2.Die o. a. Maßnahmen sind naturschutzrechtlich Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen, die in Naturschutzgebieten behördlich angeordnet werden können (§ 22 BNatSchG und § 15 NAGBNatSchG). Sie sind allein, aber zumindest im überwiegenden öffentlichen Interesse. Solche Maßnahmen zu planen, durchzuführen und zu finanzieren ist grundsätzlich Aufgabe der Naturschutzbehörde: des Landkreises. Die Eigentümer der betroffenen Flächen haben die Maßnahmen gem. § 8 der zuvor genannten Verordnung zu dulden.
Für Schutzgebiete finanziert das Land entsprechende Projekte, deren Entwicklung und Umsetzung der wesentliche Aufgabenbereich der von Umweltverbänden (z. B. NABU) betrieben Ökostationen
3.Die von Herrn Blumenberg angegebenen Kosten sind in keiner Weise zu beanstanden. Der beantragten Förderung sollte daher zumindest teilweise und unter Bedingungen bzw. Vorbehalten zugestimmt werden.
a) Die o. a. Fläche liegt im Geltungsbereich der bisher nicht in Kraft getretenen Verordnung Naturschutzgebiet NSG HA 239 „Leineaue zwischen Hannover und Ruthe“. Der Kreistag hat der Verordnung zwar am 10.12.2020 zugestimmt, die Kreisverwaltung hat sie aber bisher nicht bekanntgemacht.
In Naturschutzgebieten gilt gem. § 23 BNatSchG ein Veränderungsgebot. Dieses Verbot gilt jedoch nicht absolut, sondern nur grundsätzlich. Hierzu äußert Appel unter Verweis auf eine Entscheidung des OVG Lüneburg: Vom „Veränderungsverbot nicht erfasst sind … daher solche Handlungen, die auf eine ökologische Verbesserung gerichtet sind, der Erhaltung des bisherigen Zustandes dienen oder sich schlicht neutral darstellen“ (Appel, in: Frenz / Müggenborg (Hrsg.), BNatSchG-Kommentar, 2. Aufl. 2016, § 23 Rn. 35 m.w.N.).
b) Den von Herrn Blumenberg vorgesehenen Maßnahmen steht das Veränderungsverbot bisher nicht und auch dann nicht entgegen, wenn die o.a. Verordnung in Kraft getreten ist. Denn es handelt sich Maßnahmen zum Erhalt bzw. zur Pflege und Entwicklung des Naturschutzgebietes. Schon allein die von Herrn Blumenberg seit Jahren durchgeführten Arbeiten zu Offenhaltung der Wiese sind naturschutzfachlich geboten.
Zudem können gem. § 67 BNatSchG und § 6 der o. a. Verordnung Befreiungen gewährt werden. Ferner bestimmt § 5 Abs. 2 Nr. 13 (Freistellungen) der o. a. Verordnung: „Freigestellt sind: … 13. Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege oder Entwicklung des Naturschutzgebietes mit vorheriger Zustimmung der Naturschutzbehörde, …“
2.Zu den einzelnen Maßnahmen
2.1 Beseitigung von Bäumen (beantragte Förderung ca. 2.600 €)
Der 2017 von der Paul-Feindt-Stiftung vorgeschlagenen Beseitigung von Bäumen stehen die seither eingetretenen tatsächlichen und rechtlichen Veränderungen entgegen. Daher sollte dafür nunmehr keine Förderung zugesagt werden.
An dieser Stelle ist jedoch klarzustellen, dass Herr Blumenberg einem Ansinnen der Paul-Feindt-Stiftung entsprechen und im Interesse des Gemeinwohls einen Beitrag zum Natur- und Artenschutz leisten wollte.
Zudem stehen im Gegensatz zur Behauptung der Verwaltung an dem Teich nicht nur Weiden, sondern viele Pappeln.
Die Sachdarstellung der Verwaltung ist hinsichtlich der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten teilweise unzutreffend bzw. unvollständig. Zumindest irreführend ist die Behauptung: „Gemäß § 4 Abs. 1, Nr. der geltenden Naturschutzgebietsverordnung ist es verboten, „Gebüsche, insbesondere Weidengebüsche, Hecken, Feldgehölze oder andere Gehölzbestände außerhalb des Waldes zu beseitigen sowie Maßnahmen durchzuführen, die eine Beeinträchtigung, Schädigung oder Zerstörung herbeiführen könnten“.
Von der Verwaltung hätte zumindest der Hinweis erfolgen müssen, dass Maßnahmen zum Erhalt oder zur Verbesserung und Entwicklung des Gebietes immer zulässig sind.
2.2 Blühwiese (beantragte Förderung 890 €)
Der Erhalt der Wiese ist naturschutzfachlich auf jeden Fall anzustreben. Ebenso deren Entwicklung zu einer Blühwiese – unabhängig davon, in welcher Form diese Entwicklung erfolgen soll.
Es gibt keine naturschutzfachlichen und keine rechtlichen Gründe, die diesen beiden Zielen und der beantragten Förderung widersprechen.
2.3 Vertiefung von Mulden zu Laichgewässern und Abflachung am Teichufer (beantragte Förderung insg. Ca. 2.310 €)
a) Vertiefung der Mulden
Die Maßnahme widerspricht nicht dem Veränderungsgebot, da sie in dem o.a. Gebiet einen weiteren und seltenen Lebensraum schafft. Es gibt (wie oben gezeigt) keine naturschutzfachlichen und keine rechtlichen Gründe, die dem entgegenstehen und der beantragten Förderung widersprechen.
Selbst die Verwaltung räumt ein, dass für die Anlegung der Laichtümpel eine Befreiung oder Freistellung erfolgen kann.
Sollte nach Auffassung der Kreisverwaltung, was aufgrund der angestrebten Zwecke der Maßnahme und der geringen Bodenmenge rechtlich zu bezweifeln ist, eine Verteilung des Bodenaushubs auf die umliegende Fläche z. B. gemäß der neuen Naturschutzgebietsverordnung (die bisher nicht in Kraft ist) verboten und auch eine Befreiung oder Freistellung dafür nicht zulässig sein, kann und sollte der Bodenaushub entsorgt werden.
b) Abflachung des Teichufers an einer noch zu bestimmenden Stelle
Die Maßnahme widerspricht nicht dem Veränderungsgebot, da sie in dem o.a. Gebiet einen weiteren Lebensraum schafft. Es gibt (wie oben gezeigt) keine naturschutzfachlichen und keine rechtlichen Gründe, die dem entgegenstehen und der beantragten Förderung widersprechen.
Wenn es (auch nach Auffassung der Kreisverwaltung) rechtlich und naturschutzfachlich vertretbar ist, vorhandene Bodenmulden ins Grundwasser zu vertiefen, dann muss ein solcher Bodenaushub auch auf einige Meter entlang der Teichkante zulässig sein, insbesondere dort, wo keine Bäume oder Büsche sind. Solche Flachwasserzonen sind wertvolle Biotope. Es ist mehr als bedauerlich, dass die Kreisverwaltung die Schaffung solcher Zonen bei der Erlaubnis zur Kiesausbeute nicht vorgeschrieben hat.
Sollte nach Auffassung der Kreisverwaltung, was aufgrund der angestrebten Zwecke der Maßnahme und der geringen Bodenmenge rechtlich zu bezweifeln ist, eine Verteilung des Bodenaushubs auf die umliegende Fläche z. B. gemäß der neuen Naturschutzgebietsverordnung (die bisher nicht in Kraft ist) verboten und auch eine Befreiung oder eine Freistellung dafür nicht zulässig sein, kann und sollte der Bodenaushub entsorgt werden.
3. Zum Verfahren
Eine neue Antragstellung ist für die Förderzusage nicht erforderlich und nicht geboten. Es muss die Naturschutzbehörde/der Landkreis entscheiden, wie und wo die einzelnen Verbesserungsmaßnahmen aus behördlicher Sicht am zweckmäßigsten sind. Wenn dies überhaupt erforderlich sein sollte, können Befreiungen, Freistellungen, Erlaubnisse usw. mit der Förderzusage verbunden werden.
Es ist im öffentlichen Interesse für den Naturschutz, wenn sich Menschen bereit erklären dafür gemeinnützig tätig zu werden. Die Verwaltung sollte solche Initiativen soweit wie möglich unterstützen.
gez. Klaus Bruer gez. Friedhelm Prior
Fraktionsvorsitzender der Fraktionsvorsitzender der
SPD-Kreistagsfraktion CDU-Kreistagsfraktion
gez. Johannes Dreier gez. Falk-Olaf Hoppe
stv. Ausschussvorsitzender Umwelt Ausschussvorsitzender Umwelt
SPD-Kreistagsfraktion CDU-Kreistagsfraktion