Landkreis Hildesheim
Herrn Landrat Bernd Lynack
Marie-Wagenknecht-Str. 3
31134 Hildesheim
Hildesheim, 24.02.2023
Verkehrsrechtliche Anordnungen im Bereich der Gemeinde Holle, Ortschaft Grasdorf
Sehr geehrter Herr Landrat Lynack,
zum Beratungspunkt „Verkehrsrechtliche Anordnungen im Bereich der Gemeinde Holle, Ortschaft Grasdorf“ der Sitzung des Kreistages am 16.03.2023 übersenden wir folgenden Beschlussvorschlag, der die Beschlussvorschläge vom 06.02.2023 und 07.02.2023 ersetzt.
Beschlussvorschlag:
- Auf der B 6 wird das Zeichen 331.1 entfernt und im Zusammenhang damit auf der K 307 vor der Ortseinfahrt/Hildesheimer Straße angeordnet: „Verbot für Fahrzeuge über 7,5 t (VZ 262-7,5), Lieferverkehr und Linienverkehr frei“,
- Auf der Hildesheimer Straße vor dem Spielplatz wird das Gefahrzeichen 136 (Kinder) aufgestellt,
- Auf der Hildesheimer Straße vor dem Spielplatz wird die Geschwindigkeit auf 30 km/h auf 300 m Länge begrenzt.
Begründung:
Der Beschlussvorschlag ist bereits mit dem Antrag vom 10.05.2022 (Antrag Nr. 118/XIX) und dem Antrag vom 29.07.2022 (Antrag Nr. 153/XIX) begründet worden. Ergänzend bzw. vertiefend ist auf folgende Aspekte hinzuweisen.
- Vorbemerkung
„Das Straßenverkehrsrecht befasst sich mit der Ordnung des Verkehrs und hat zum Ziel, die *Sicherheit und Leichtigkeit* des Verkehrs zu gewährleisten. Es regelt den Verkehr unter ordnungsrechtl. Gesichtspunkten“ (BVerwG, Urteil vom 28.11.1969 – VII C 67.68). Es ist eine „umfassend konzipierte Spezialmaterie der *Gefahrenabwehr*“ (Steiner, Straßenrecht und Straßenverkehrsrecht, JuS 1984, 12). -1
Da die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs in der engen Ortsdurchfahrt von Grasdorf durch den überregionalen Verkehr nicht mehr ausreichend gegeben war, wurde die B 6 zu einer vierspurigen Umgehungsstraße ausgebaut.
Die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs in Grasdorf ist jedoch nach wie vor erheblich beeinträchtigt, weil der Durchgangsverkehr entgegen dem Gebot zur gegenseitigen Rücksicht (§ 1 StVO) in unvertretbarem Umfang weiterhin die Ortsdurchfahrt nutzt, obwohl er mit mehr Sicherheit und Leichtigkeit die vierspurige Umgehungsstraße nutzen könnte.
- Im Einzelnen
2.1 Zur Anordnung „Verbot für Fahrzeuge über 7,5 t (VZ 262-7,5) Lieferverkehr und Linienverkehr frei“ vor der Hildesheimer Straße bzw. K 307 (im Folgenden kurz Ortsdurchfahrt).
2.1.1 Die jetzt zulässige uneingeschränkte Nutzung der engen Ortsdurchfahrt mit Fahrzeugen aller Art (einschl. Schwerlastverkehr) beeinträchtigt die Verkehrssicherheit und verursacht insbesondere aus folgenden Gründen Gefahren für Leben und die Gesundheit, Schäden für die Umwelt sowie Beeinträchtigungen der Lebensqualität der dort lebenden Menschen.
2.1.2 Die Ortsdurchfahrt ist teilweise nur knapp 6 m breit und besitzt weitgehend nur auf einer Seite einen Gehweg. An ihr liegen drei Haltestellen des ÖPNV/Schülerbeförderung, an der sich Kinder aller Jahrgänge treffen.
Es wohnen dort überdurchschnittlich viele junge Familien mit Kindern im Kindergartenalter. Der Dorfplatz mit Spielplatz liegt direkt an der Straße, die dort einen Bogen aufweist und daher entgegen der Darstellung der Verwaltung keine ausreichende Sichtweite bietet, um mögliche Gefahrenlagen frühzeitig zu erkennen.
An der Ortsdurchfahrt stehen 12 denkmalgeschützte Häuser aus dem 18. Jahrhundert, die nach wie vor der Belastung durch den Schwerlastverkehr ausgesetzt sind, weil viele Fahrer weiterhin die Ortsdurchfahrt trotz der Umgehung nutzen. Zeitweise nutzen Schwerlastfahrzeuge die Durchfahrt im 10-Minutentakt. Die Zählung des Verkehrs, auf den sich die Verwaltung bezieht, wurde lediglich an neun Tagen in den Sommerferien durchgeführt. Tatsächlich wird die Ortsdurchfahrt seit Jahren völlig unnötig durch Baufahrzeuge, insbesondere durch verschiedene Brückenbauten der Autobahnen und den sonstigen Schwerlastverkehr erheblich belastet.
Als Folge dieser Belastungen nehmen die Rohrleitungen von Privathäusern sowie der Unterführung der Reeke Beeke zunehmend Schaden. Bei der von Bürgerinnen und Bürgern des Ortes am 10.02.2023 durchgeführte Inaugenscheinnahme des ca. 200 Jahre alten Gewölbeunterbaus der Ortsdurchfahrt sind Schäden an der Unterführung deutlich geworden: durch herausgebrochene Sandsteinquader, die den Durchfluss der Reeke Beeke behindern und eine Gefahr für die Stabilität der Straße besorgen lassen.
Durch die Schwerlastgespanne von den Autobahnbaustellen, Baugebiete in Holle, Grasdorf Räder und Kedenburg /Sonderdeponie Schlewecke werden die Bürger von Grasdorf mit Lärm und Abgasen unzumutbar und völlig vermeidbar belastet.
2.1.3 Das streckenbezogene Verkehrsverbot wird den überörtlichen Verkehr auf die Umgehungsstraße leiten und die Leichtigkeit, Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs in der Ortsdurchfahrt verbessern. Dies entspricht dem Ziel des Gesetzes. Denn § 1 StVO bestimmt: „(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht. -2
(2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.
Dieses Gebot verpflichtet den überörtlichen Verkehr, die zweispurige Umgehungsstraße zu nutzen. Dies ist für den Durchgangsverkehr in jeder Weise zumutbar, denn die Umgehungsstraße verläuft fast parallel zur Ortsdurchfahrt und die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf dieser Strecke beträgt 100 km/h. Die Nutzung der Umgehungsstraße verkürzt die Fahrzeit; zudem ist die Verkehrssicherheit auf dieser Straße sehr hoch: höher als auf der engen Ortsdurchfahrt.
Die Umgehungsstraße auf der B 6 hat nach dem Bau des Salzgitter Dreiecks (Verbindung zwischen den beiden Autobahnen) für den überörtlichen Verkehr an Bedeutung verloren. Auf der Umgehung ist durch die nun geringere Verkehrsbelastung die Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs gestiegen. Sie kann ohne Probleme den Durchgangsverkehr aufnehmen, der jetzt noch die Ortsdurchfahrt nutzt.
Die Anordnung des Verkehrsverbots auf einer Strecke von ca. 1 km ist auch verhältnismäßig. Das BVerwG sieht bei streckenbezogenen Verkehrsverboten eine geringere Belastungsintensität als bei zonalen und hat klargestellt: „Erstere führen lediglich dazu, dass die betroffenen Autofahrer einzelne Fahrziele nicht oder nur unter Inkaufnahme von mehr oder weniger großen Umwegen erreichen… Derartige Einschränkungen gehen ihrer Intensität nach nicht über sonstige straßenverkehrsrechtlich begründete Durchfahrt- und Halteverbote hinaus, mit denen Autofahrer stets rechnen und die sie grundsätzlich hinnehmen müssen“ (BVerwG a.a.O. Rn. 38).
2.2 Zur Beseitigung des Zeichens 331.1 „Kraftfahrstraße“ auf der B 6 mit zwei Fahrspuren für jede Richtung in Grasdorf vor der Abzweigung in die Hildesheimer Straße.
2.2.1 Durch das Zeichen werden Fahrzeuge, deren durch die Bauart bestimmte Höchstgeschwindigkeit nicht mehr als 60 km/h beträgt, von der o. a. Umgehungsstraße in die Ortsdurchfahrt gezwungen. Dies verschlechtert die Flüssigkeit, Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs im gesamten Bereich der Ortsdurchfahrt. Wird das Zeichen 331.1 entfernt, wird die Flüssigkeit, Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auf der Umgehungsstraße nicht verschlechtert, aber in der Ortsdurchfahrt erheblich verbessert.
Daher ist die Entfernung des Zeichens aufgrund der von den Schwerlastfahrzeugen in Grasdorf verursachten Belastungen, Gefahren und Schäden für die Umwelt (einschl. an den Gebäuden und Straßen) und die Sicherheit der Menschen nicht nur gerechtfertigt, sondern geboten. Dies ergibt sich schon aus dem Gesetz. Denn § 46 Abs. 9 StVO bestimmt: „(9) Verkehrszeichen … sind nur dort anzuordnen, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist.“
Solche zwingenden Umstände sind für das Zeichen 331.1 in Grasdorf nicht erkennbar.
2.2.2 Auf der hier in Rede stehenden Umgehungsstrecke (ca. 2.5 km mit zwei Fahrspuren für jede Richtung) beträgt die zulässige Höchstgeschwindigkeit 100 km/h. Die Leichtigkeit, Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs sind auf der Umgehungsstraße höher als auf der engen Ortsdurchfahrt, denn auf der mehrspurigen Straße können langsame Fahrzeuge überholt werden. Und selbst dann, wenn dies im Einzelfall nicht möglich sein sollte, wird die dadurch bedingte Verzögerung der Fahrzeit im Bereich von einigen Sekunden liegen.
2.2.3 Die Umgehungsstrecke darf jetzt gem. § 18 StVO mit allen Kraftfahrzeugen benutzt werden, deren durch die Bauart bestimmte Höchstgeschwindigkeit mehr als 60 km/h beträgt. Sie darf auch von Fahrzeugen genutzt werden, die nur 80 km/h oder 60 km/h fahren dürfen: 80 km/h für Kraftfahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse von mehr als 3,5 t (ausgenommen Personenkraftwagen), Personenkraftwagen, Lastkraftwagen und Wohnmobile mit Anhänger, Zugmaschinen mit zwei Anhängern und Kraftomnibusse ohne Anhänger beträgt und 60 km/h für Kraftomnibusse, Krafträder, selbstfahrende Arbeitsmaschinen jeweils mit Anhänger. Zudem gibt es auch für diese Strecke keine Mindestgeschwindigkeit.
Sofern die Strecke bei Unfällen auf der Autobahn als Umleitung genutzt wird, wird sie auf jeden Fall auch von Fahrzeugen genutzt, die nur 80 km/h oder 60 km/h fahren dürfen, aber nicht müssen.
Es bringt also keinen Vorteil für die Leichtigkeit, Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs, dass z. B. ein Kraftomnibus mit Anhänger, der nur 60 km/h fahren darf und auf der B 6 von Hildesheim nach Grasdorf nicht überholt werden kann, in Grasdorf mit 60 km/h auf der Umgehung fahren darf, aber ein Fahrzeug, dass aufgrund der Bauart nicht schneller als 60 km/h fahren kann, in die Hildesheimer Straße abbiegen muss, obwohl es wie der Bus auf der Umgehung überholt werden könnte.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Friedhelm Prior
Fraktionsvorsitzender
gez. Katy Renner-Köhne
Sprecherin der CDU-Kreistagsfraktion
für Verkehrssicherheit, Verbraucher- und Bevölkerungsschutz