Landkreis Hildesheim
Herrn Landrat Bernd Lynack
Marie-Wagenknecht-Str. 3
31134 Hildesheim
Hildesheim, 30.08.2022
Ausbau der stationären- und teilstationären Altenpflege im Landkreis Hildesheim
Sehr geehrter Herr Landrat Lynack,
wir bitten Sie, den Beratungspunkt „Ausbau der stationären- und teilstationären Altenpflege im Landkreis Hildesheim“ in die Tagesordnung des Kreistages und jeweils zuvor des Ausschusses für Jugend, Soziales und Gesundheit, des Ausschusses für Finanzen, Personal, Digitalisierung und Innere Dienste, des Ausschusses für Migration, Integration, Bevölkerungsentwicklung und Netzzugang und des Kreisausschusses aufzunehmen.
Beschlussvorschlag:
- Der Kreistag spricht sich grundsätzlich dafür aus, stationäre- und teilstationäre Altenpflege auch in Verantwortung des Landkreises z. B. über einen Zweckverband anzubieten. Ziel soll es u. a. sein, ausreichend Plätze für die Kurzzeitpflege vorzuhalten und Ausbildungsmöglichkeiten zu schaffen.
- Der Landrat wird gebeten zu prüfen, in welcher Rechtsform ein solches Angebot am zweckmäßigsten und in welchen Schritten sowie ggf. mit welchen Kooperationspartnern erfolgen sollte. Die Ergebnisse der Prüfung sind den Kreistagsgremien möglichst kurzfristig vorzulegen.
- Der Landrat wird beauftragt, dem Kreistag zur Beschlussfassung den Entwurf einer Richtlinie vorzulegen, in der insbesondere die vom Landkreis zu fordernden baulich-technischen Mindestanforderungen des Landkreises Hildesheim bestimmt werden. Diese Anforderungen des Landkreises sollen deutlich hinausgehen über die Anforderungen des Bundes (in der HeimMindBauV) und die Anforderungen des Landes (im Entwurf Verordnung über die Mindestanforderungen an die Räume in den Heimen aus 2018 und dem entsprechenden Merkblatt mit Stand: 2016). Dies betrifft insbesondere die Umweltstandards, die Mindestgröße der Wohnräume, den Anspruch auf ein Einzelzimmer, die sanitären Anlagen, die technischen Einrichtungen und die Klimatisierung.
- Der Landkreis soll Mitglied Bundesverband der Kommunalen Senioren- und Behinderteneinrichtungen e.V. (BKSB)werden, über Einzelheiten dazu soll der Kreisausschuss entscheiden.
Begründung:
Zweck des Heimgesetzes ist es u. a. die Würde sowie die Interessen und Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner von Heimen vor Beeinträchtigungen zu schützen, eine dem allgemein anerkannten Stand der fachlichen Erkenntnisse entsprechende Qualität des Wohnens und der Betreuung zu sichern.
Dieses Bundesgesetz verpflichtet die Heime, ihre Leistungen nach dem jeweils allgemein anerkannten Stand fachlicher Erkenntnisse zu erbringen, und ermächtigt das Bundesministerium für Familie, Senioren usw. im Einvernehmen mit anderen Ministerien und Zustimmung des Bundesrates dem allgemein anerkannten Stand der fachlichen Erkenntnisse entsprechende Regelungen (Mindestanforderungen) zu erlassen.
In der dazu erlassenen Verordnung über bauliche Mindestanforderungen für Altenheime, Altenwohnheime und Pflegeheime für Volljährige (Heimmindestbauverordnung – HeimMindBauV) ist u. a. bestimmt: „Wohnplätze für eine Person müssen mindestens einen Wohnschlafraum mit einer Wohnfläche von 12 m²… Für jeweils bis zu acht Bewohner muß im gleichen Geschoß mindestens ein Spülabort mit Handwaschbecken vorhanden sein … Für jeweils bis zu 20 Bewohner müssen im gleichen Gebäude mindestens eine Badewanne und eine Dusche zur Verfügung stehen.“
Es ist unwürdig, dass diese Verordnung immer noch in Kraft ist und der Bund es den Ländern überlässt, weitergehende Anforderungen zu stellen.
Und es ist unwürdig, dass in Niedersachsen vom Sozialministerium bisher keine Verordnung über die Mindestanforderungen an die Räume in den Heimen, insbesondere die Wohn-, Gemeinschafts-, Therapie- und Wirtschaftsräume, sowie die Verkehrsflächen, die sanitären Anlagen und die technischen Einrichtungen, Mindestanforderungen erlassen worden ist (siehe § 17 Niedersächsisches Gesetz über unterstützende Wohnformen (NuWG). Der Entwurf für eine solche Verordnung (von 2018) ist noch immer in der Abstimmung und nicht umgesetzt und es gibt hinsichtlich solcher Anforderungen nach wie vor nur ein völlig unzureichendes Merkblatt (Stand: 2016), dass das Land zu nichts verpflichtet.
Es ist zumindest fraglich, dass mit den o. a. Anforderungen die Würde der Bewohnerinnen und Bewohner von Heimen ausreichend geschützt und die 2009 Bundesrecht gewordene UN-Behindertenrechtskonvention auch für Pflegebedürftige umgesetzt wird. Unabhängig davon genügen sie auch nicht den Anforderungen, die sich nach Auffassung der CDU-Fraktion aus dem demografischen Wandel, den Klimaänderungen und Kostensteigerungen ergeben. Bisher gibt es für die Altenpflegeheime z. B. es keine Anforderungen für die Klimatisierung. In diesem Zusammenhang muss der Hinweis erlaubt sein, dass durch Bundesverordnung (Verordnung zum Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere) im Detail geregelt ist, wie hoch im Stall die Temperaturen sein dürfen.
„Die Landkreise und die kreisfreien Städte sind verpflichtet, eine den örtlichen Anforderungen entsprechende notwendige pflegerische Versorgungsstruktur nach Maßgabe dieses Gesetzes sicherzustellen. Kreisangehörige Gemeinden einschließlich der Mitgliedsgemeinden von Samtgemeinden und Samtgemeinden können für ihr Gebiet die Bereitstellung im Einvernehmen mit dem Landkreis übernehmen“ (§ 5 NPflegeG). Und insbesondere hierzu bestimmt § 6 NPflegeG: „Die Aufgaben der Kommunen nach diesem Abschnitt gehören zu deren eigenem Wirkungskreis.“
Der Landkreis hat also einen weiten Gestaltungsspielraum und sollte ihn nutzen, um den unzulänglichen Bundes- und Landesregelungen mit eigenen Maßnahmen zu begegnen. Dies ist hinsichtlich der dafür anfallenden Kosten in jeder Weise vertretbar. Für Kinderbetreuung in den Kindergärten, Krippen usw. zahlt der Landkreis pro Jahr derzeit ca. 44 Mio. €; für Altenpflege sind es pro Jahr jedoch lediglich ca. 2 Mio. €.
In Art. 52 PflegeVG ist bestimmt: „Die Finanzhilfen betragen bis zu 80 vom Hundert der öffentlichen Finanzierung; die Länder stellen sicher, daß wenigstens 20 vom Hundert der öffentlichen Investitionsmittel aus Mitteln des Landes oder der Gemeinden (Gemeindeverbände) aufgebracht werden.“ Es wird zu untersuchen sein, wie dies im Landkreis Hildesheim umgesetzt ist.
Die Mitgliedschaft im Bundesverband der Kommunalen Senioren- und Behinderteneinrichtungen e. V. (BKSB) eröffnet dem Landkreis den Zugang zu Informationen über Erfahrungen bereits erprobter Maßnahmen im Bereich der Altenpflege.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Friedhelm Prior gez. Dirk Bettels
Fraktionsvorsitzender Ausschussvorsitzender Jugend, Soziales u. Gesundheit