Bergrechtliches Planfeststellungsverfahren zur Wiederinbetriebnahme des Hartsalzbergwereks Siegfried-Giesen

Herrn
Landrat
Olaf Levonen

o. V.i.A.

Hildesheim, den 09.01.2017

 

Vorbehaltsbeschluss nach § 58 Abs. 3 NKomVG;
Bergrechtliches Planfeststellungsverfahren zur Wiederinbetriebnahme des Hartsalzbergwerkes Siegfried-Giesen der Kali + Salz AG in den Gemeinden Giesen/Sarstedt; Erteilung des Einvernehmens nach § 19 Abs. 3 WHG

 

Sehr geehrter Herr Landrat Levonen,

wir bitten Sie, den Beratungspunkt

„Vorbehaltsbeschluss nach § 58 Abs. 3 NKomVG; bergrechtliches Planfeststellungsverfahren zur Wiederinbetriebnahme des Hartsalzbergwerkes Siegfried-Giesen der Kali + Salz AG in den Gemeinden Giesen/Sarstedt; Erteilung des Einvernehmens nach § 19 Abs. 3 WHG“

in die Tagesordnung der jeweils nächsten Sitzung des Kreisausschusses und des Kreistages aufzunehmen.

Beschlussvorschlag:

Der Kreistag des Landkreises Hildesheim behält sich zum bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren für die Wiederinbetriebnahme des Hartsalzbergwerkes Siegfried-Giesen der Kali + Salz AG in den Gemeinden Giesen/Sarstedt die Entscheidung über die Erteilung des Einvernehmens nach § 19 WHG für die Erlaubnis zur Abwassereinleitung in die Innerste und zu anderen wasserrechtlichen Erlaubnissen vor.

Begründung:

Die grundsätzliche Bedeutung und Dimension des hier in Rede stehenden Vorhabens rechtfertigen es, dass sich der Kreistag die Entscheidung über die Erteilung des Einvernehmens zu wasserrechtlichen Erlaubnissen vorbehält. Dafür sprechen insbesondere die folgenden fünf Aspekte.

  1. Das weltweit tätige Unternehmen K+S plant mit der Reaktivierung des
    Hartsalzbergwerkes eine auf Jahrzehnte ausgerichtete Kaliproduktion am Standort Sarstedt/Giesen. Dies ist wie jeder Auf- oder Ausbau des produzierenden Gewerbes grundsätzlich zu begrüßen.

Das für die Reaktivierung erforderliche bergrechtliche Planfeststellungsverfahren des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie ist jedoch mit besonderer Sorgfalt, größtmöglicher Transparenz und Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger zu gestalten, denn Bergbaubetriebe verursachen Gefahren, Umweltbelastungen und Veränderungen des Landschaftsbildes; zudem hat die Kaliindustrie zum Teil erhebliche Altlasten erzeugt.

Wasserrechtliche Erlaubnisse können im Rahmen des genannten Verfahrens nur im Einvernehmen mit dem Landkreis Hildesheim, der untere Wasserbehörde, erfolgen. Der Landkreis ist daher vornehmlich dafür verantwortlich, dass bei der Errichtung und dem Betrieb neuer Bergwerke die Gewässerschutzvorschriften sorgfältig beachtet und eingehalten werden; dies gilt insbesondere für die Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (WRRL) und das Wasserhaushaltsgesetz (WHG).

Diese Vorschriften gebieten für einen nachhaltigen Gewässerschutz die Verknüpfung von vier Komponenten:

  1. einem Verbesserungsgebot,
  2. einem Verschlechterungsverbot,
  3. der Forderung, einen guten ökologischen und chemischen Zustande unserer
    Gewässer zu erreichen und zu erhalten sowie
  4. einer Terminvorgabe bis grundsätzlich 2015.

Durch diese Kombination soll zukünftig vermieden werden, dass eine beantragte Abwassereinleitung isoliert betrachtet und bei Einhaltung bestimmter Grenzwerte z. B. unabhängig von anderen Einleitungen erlaubt werden darf. Die zuvor genannten Komponenten können ihre volle Wirkung nur gebündelt entfalten. Eine nachhaltige Wirkung im Sinne der WRRL ist z. B. nicht erreichbar, wenn das dem Verschlechterungsverbot vorschreibende Verbesserungsgebot nicht als ständige Pflicht erfüllt wird.

  1. Dauer und Größe des Vorhabens

Grundlage des laufenden Planfeststellungsverfahrens ist die Bewilligung, die K+S von der Bergbehörde nach Beteiligung des Landkreises am 16.10.2014 für die Dauer von 50 Jahren erhalten hat. Sie berechtigt K+S in dem Feld „Siegfried-Giesen“ in einer Größe von ca. 15,11 Quadratkilometern (1511 ha) Stein-, Kali-, Magnesia- und Borsalze nebst den mit diesen Salzen in gleicher Lagerstätte auftretenden Salzen aufzusuchen und zu gewinnen.

Zum anlagenbedingten Flächenverbrauch heißt es in der Stellungnahme der Kreisverwaltung vom 01.06.2015, dass dem Bereich mit dem Vorhaben nicht nur 12 ha einer klimarelevanten Fläche durch Überbauung entzogen werde, sondern auf dieser Fläche Strukturen entstehen sollen, die zu einer Verschlechterung des Lokalklimas beitragen. Zudem droht ein Verlust von ca. 210 ha Ackerfläche durch die Anlage einer neuen Abraumhalde sowie durch Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen und den Bau der Werksanlagen.

  1. Zustand der Innerste, Abwassereinleitungen von Kali + Salz, Grundwasserbelastung

Die Innerste ist als erheblich verändert „eingestuft“ und der Gewässerabschnitt zwischen Hildesheim und der Mündung in die Leine hat ein nur unbefriedigendes ökologisches Potential sowie einen schlechten chemischen Zustand. Das Grundwasser im Bereich Giesen gilt bereits als belastet. Auf Seite 10 der Stellungnahme des Landkreises vom 01.06.2015 heißt es ausdrücklich: „Dem absoluten Ausschluss von Beeinträchtigungen des Naturschutzgebietes “Entenfang“ im Versagensfall der Haldenabdichtung kann nicht gefolgt werden („Unterströmen des Schutzgebiets mit mineralisiertem Grundwasser“). Es wird zumindest eine Gefährdung gesehen. Dies hat sich im geplanten Monitoring wiederzufinden.

Kali + Salz leitet aufgrund einer alten Genehmigung/Erlaubnis bereits seit Jahrzehnten Abwässer von einer Salzhalde in die Innerste. Maßnahmen im Sinne des Verbesserungsgebotes (z. B. die Einleitungen zu stoppen oder durch den Abtrag der Salzhalde oder eine Haldenabdeckung wesentlich zu mindern) haben Kali + Salz bisher nicht getroffen und die Wasserbehörde nicht gefordert.

Bisher ist völlig offen, welche Auswirkungen eine weitere Grundwasserbeeinträchtigung haben wird und welche Maßnahmen bei einer solchen Beeinträchtigung überhaupt mit welchen Wirkungen getroffen werden können. Unzureichend beantwortet sind auch die Fragen, wie die Beweislast im Einzelnen geregelt ist/geregelt werden sollte und wer bei der Sanierung von Grundwasserschäden die Kosten zu tragen hat.

  1. Planfeststellungsverfahren und Stand der Technik

Zumindest unklar ist nach wie vor auch die Beantwortung der sehr grundsätzlichen Frage, ob die von K+S beantragte zusätzliche Abwassereinleitung überhaupt die gesetzlichen Mindestvoraussetzungen erfüllt, ob das beantragte Verfahren dem Stand der Technik entspricht.

Bedeutsam dafür ist u. a. die Forderung des § 57 WHG:
“(1) Eine Erlaubnis für das Einleiten von Abwasser in Gewässer (Direkteinleitung) darf nur erteilt werden, wenn

  1. die Menge und Schädlichkeit des Abwassers so gering gehalten wird, wie dies bei Einhaltung der jeweils in Betracht kommenden Verfahren nach dem Stand der Technik möglich ist,
  1. die Einleitung mit den Anforderungen an die Gewässereigenschaften und sonstigen rechtlichen Anforderungen vereinbar ist …“.

Der Landtag hat sich zum Stand der Technik bei der Kaliproduktion bereits 2010 parteiübergreifend in einer Entschließung geäußert:

„International und national praktizierte, fortschrittliche Verfahren erlauben die Produktion von Kalidünger und Chemierohstoffen ohne Abstoß von salzhaltigen Abwässern und ohne Aufschüttung von Salzhalden. Durch die Anwendung alternativer Abbautechniken in Verbindung mit dem Versatz von Produktionsrückständen lässt sich darüber hinaus die Ausbeute der Rohsalze umweltschonend optimieren. Dies führt zu verlängerten Laufzeiten der Gruben und sichert langfristig Arbeitsplätze in einer strukturschwachen Region.“

(Drs. 16/1513 – Entschließung „Schädliche Salzeinleitungen in Werra und Weser beenden – K + S Aktiengesellschaft muss „beste Technik“ umsetzen“).Im Sinne dieser Entschließung äußerte sich Herr Umweltminister Stefan Wenzel in einem Schreiben vom 10.08.2015 und in einem Pressegespräch am 19. April 2016:
„Ich bin … der Auffassung, dass eine stärkere Salzbelastung der Innerste nicht vertretbar ist und neue Ewigkeitslasten aus dem Bergbau vermieden werden müssen.“„Stand der Technik ist Bergversatz, nicht Aufhaldung.“

  1. Einvernehmen durch den Landkreis als Wasserbehörde

Gem. § 12 WHG steht die Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis, sofern sie nicht versagt werden muss, im pflichtgemäßen Ermessen der Wasserbehörde. Dies gilt auch bei der Erteilung des Einvernehmens für eine solche Erlaubnis.

Sollte also die Aufschüttung einer Salzhalde dem Stand der Technik entsprechen, ist nach den Vorgaben der WRRL und des WHG u. a. zu prüfen und zu entscheiden, ob und welche Schadstoffeinleitungen (Art, Menge und Zusammensetzung der Abwässer) von Salzhalden unter Berücksichtigung des Gewässerzustandes und der Bewirtschaftungsziele nach pflichtgemäßem Ermessen (befristet oder unbefristet) erlaubt werden sollten bzw. erlaubt werden dürfen.

Für eine sachgerechte Ermessensausübung, auf die K+S einen Rechtsanspruch hat, müssen alle für die Abwägung relevanten Gegebenheiten vollständig und nachvollziehbar aufbereitet und sich widersprechende Auffassungen in grundsätzlichen Rechtsfragen geklärt sein. Dies ist bisher nicht der Fall.

Mit freundlichen Grüßen

gez. Klaus Bruer                                      gez. Friedhelm Prior
Fraktionsvorsitzender                           Fraktionsvorsitzender
SPD-Kreistagsfraktion                           CDU-Kreistagfraktion

 

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