Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h auf Straßen vor Einrichtungen

Landkreis Hildesheim
Herrn Landrat Bernd Lynack
Marie-Wagenknecht-Str. 3
31134 Hildesheim

Hildesheim, 04.06.2025

Streckenbezogene Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h auf Straßen vor Einrichtungen nach § 45 Abs. 9 Satz 4 Nr. 6 StVO in der am 11. Oktober 2024 in Kraft getretenen Fassung (siehe BGBl. I 2024 vom 10. Oktober 2024)

Antrag zur Tagesordnung und Anfrage gem. § 56 NKomVG

Sehr geehrter Herr Landrat Lynack,

wir bitten Sie, den o. a. Beratungspunkt in die Tagesordnung der nächsten Sitzung des Ausschusses für Verkehrssicherheit, Verbraucher- und Bevölkerungsschutz und die anschließenden Sitzungen des Kreisausschusses und Kreistages aufzunehmen.

Zur Vorbereitung auf die Sitzung bitten wir um Beantwortung folgender Fragen:

  1. Vor welchen Einrichtungen im Sinne des § 45 Abs. 9 Satz 4 Nr. 6 StVO beabsichtigen Sie aus welchen Gründen keine Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h anzuordnen?
  2. Vor welchen Einrichtungen im Sinne des § 45 Abs. 9 Satz 4 Nr. 6 StVO gilt aufgrund welcher und wann getroffenen Anordnung des Landkreises eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h?

Begründung:

  1. Auf Initiative der CDU-Kreistagsfraktion (siehe Antrag vom 21.01.2022) hat der Kreistag am 24.03.2022 aufgrund eines gemeinsamen Antrages der Gruppe SPD/Grüne und CDU am 01.03.2022 u. a. beschlossen, dass ein Gesamtplan Verkehrssicherheit mit dem Ziel der Vision Zero für den Landkreis Hildesheim erarbeitet werden soll, in dem für jede Kommune des Landkreises konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit dargestellt oder vorgeschlagen werden.

    Ein solcher Gesamtplan ist bisher nicht erstellt worden. Und vom Landrat werden nach wie vor Maßnahmen, die der Vision Zero dienen sollen, blockiert oder auf die lange Bank geschoben. Weil es um den Schutz höchster Rechtsgüter besonders schutzbedürftiger Menschen geht, können die Entscheidungen nicht dem Landrat überlassen bleiben; sondern es müssen nun die Abgeordneten prüfen und nach ihrem Ermessen – ggf. entgegen der Meinung des Landrates – entscheiden, wo solche Maßnahmen zu treffen sind.

  1. Aufgrund des o. a. Kreistagsbeschlusses hat der Landrat (siehe Vorlage 188/XIX vom 05.05.2022) die nach seiner Auffassung sensiblen Einrichtungen erfasst (122 Kindertagesstätten, 63 Schulen, 41 Senioreneinrichtungen, 2 Krankenhäuser) und eine Übersicht über die nach seiner Auffassung erforderlichen streckenbezogenen Geschwindigkeitsbegrenzungen vorgelegt (siehe Anhang zur Vorlage 319/XIX vom 02.11.2022). Dabei hat er Kinderspielplätze und andere der kürzlich in den Katalog des § 45 Abs. 9 Satz 4 StVO aufgenommene Einrichtungen nicht berücksichtigt, obwohl dies sachgerecht gewesen wäre. Denn auch bisher war es rechtlich zulässig, streckenbezogene Geschwindigkeitsbeschränkungen vor Spielplätzen und anderen „verkehrsrechtlich sensiblen“ Einrichtungen anzuordnen.
  1. Bei den vom Kreisausschuss am 09.10. und 20.11.2023 beschlossenen Geschwindigkeitsbeschränkungen (Tempo 30 km/h) vor den Kindergärten in Hotteln und Groß Düngen hat der Landrat die Umsetzung der Beschlüsse verweigert, weil sie nach seiner Meinung rechtswidrig seien. Wären die Beschlüsse tatsächlich rechtwidrig, hätte der Verkehrsminister die vom Kreisausschuss unter Fristsetzung verlangte Anordnung der Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h untersagt. Eine solche Untersagung ist nicht erfolgt und kürzlich (nach ca.17 Monaten) ist die Geschwindigkeitsbeschränkung angeordnet worden.
  1. Mit Schreiben vom 26.07.2024 hat die CDU-Kreistagsfraktion folgenden Beschlussvorschlag vorgelegt:
    „Der Landrat wird beauftragt, a) vor Kinderspielplätzen und b) vor anderen der zuletzt mit Zustimmung des Bundesrates in § 45 Abs. 9 Satz 4 Nr. 6 StVO genannten Einrichtungen streckenbezogene Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h anzuordnen, soweit dies nach seiner Auffassung vertretbar ist.“
    Diesen Beschlussvorschlag hatten wir wie folgt begründet:
    „Wegen des geänderten § 45 StVO ist zu prüfen und zu entscheiden, welche weiteren Geschwindigkeitsbeschränkungen angeordnet werden sollten.

    Der Beschlussvorschlag fand jedoch keine Mehrheit.

    Aber auf den gemeinsamen Antrag der Mehrheitsgruppe und der CDU-Fraktion haben der Ausschuss für Verkehrssicherheit, Verbraucher- und Bevölkerungsschutz am 29.08.2024 und der Kreisausschuss am 08.09.2024 beschlossen:

    „Der Landrat wird beauftragt, a) vor Kinderspielplätzen und b) vor anderen der zuletzt mit Zustimmung des Bundesrates zu erwartenden Änderung in § 45 Abs. 9 Satz 4 Nr. 6 StVO, genannten Einrichtungen streckenbezogene Geschwindigkeitsbeschränkungen von 30 km/h auch zeitlich begrenzt, wenn es die Gegebenheiten oder die Verkehrssituation erfordert, anzuordnen, soweit dies nach seiner Auffassung vertretbar ist. Über das Ergebnis ist der Kreisausschuss zeitnah zu informieren.“

    Auszug aus § 45 Abs. 9 Satz 4 Nr. 6 StVO:
    „Satz 3 gilt nicht für die Anordnung von
    6. innerörtlichen streckenbezogenen Geschwindigkeitsbeschränkungen von 30 km/h (Zeichen 274) nach Absatz 1 Satz 1 auf Straßen des überörtlichen Verkehrs (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) oder auf weiteren Vorfahrtstraßen (Zeichen 306) im unmittelbaren Bereich von an diesen Straßen gelegenen Fußgängerüberwegen, Kindergärten, Kindertagesstätten, Spielplätzen, hochfrequentierten Schulwegen, Allgemeinbildenden Schulen, Förderschulen, Alten- und Pflegeheimen, Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen oder Krankenhäusern.“

  2. Bisher ist nicht erkennbar, dass der Landrat seine ablehnende Meinung gegen Geschwindigkeitsbeschränkungen aufgegeben hat. Dies ergibt sich z. B. daraus, dass er die von Abgeordneten beschlossene Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/h in Neuhof und die geforderte Geschwindigkeitsbeschränkung vor dem Spielplatz in der Ortschaft Ruthe bisher nicht angeordnet hat.

    In der Vorlage 319/XIX vom 02.11.2022 (mit Abschlussbericht) heißt es:
    „Seitens der Verkehrsbehörde wurden alle 230 sensiblen Einrichtungen im Kreisgebiet, hinsichtlich des Vorliegens der rechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer streckenbezogenen Geschwindigkeitsreduzierung auf 30 km/h, überprüft. Nach Abschluss der Überprüfung durch die untere Verkehrsbehörde stellt sich der Sachstand zu den begutachteten Einrichtungen in der Gesamtbetrachtung wie folgt dar:

  • 169 Einrichtungen liegen in einer Tempo 30-Zone bzw. es ist die Einrichtung auf Antrag der Kommune möglich
  • 13 Einrichtungen liegen in einem verkehrsberuhigten Bereich bzw. in einer Tempo
    20-Zone
  • 13 Einrichtungen liegen an einer Straße mit einem streckenbezogenen Tempolimit auf
    30 km/h
  • Für 6 weitere Kindertagesstätten wird ebenfalls eine streckenbezogene Reduzierung angeordnet und ist in Vorbereitung
  • Bei 29 sensiblen Einrichtungen ist keine verkehrsbehördliche Anordnung zu treffen, da die rechtlichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

    Eine detaillierte Übersicht ist den nachfolgenden Seiten, gestaffelt nach Kommunen, zu entnehmen.“

  1. Mit der o. a. detaillierten Übersicht und den bisher getroffenen Maßnahmen ist der o. a. Beschluss des Kreistages vom 24.03.2022 nicht umgesetzt.
    In der „detaillierte Übersicht“ werden Spielplätze, die im neuen § 45 StVO ausdrücklich genannt werden, überhaupt nicht genannt. Zudem wird dort entgegen der Rechtsprechung die irrige Auffassung vertreten, die Einrichtung, vor der eine Geschwindigkeitsbegrenzung angeordnet werden soll, müsse über einen direkten Zugang zur Straße verfügen. Zudem wird vom Landrat irreführend oder unwissentlich der Eindruck erweckt, er allein habe über die Anordnung von Tempo 30 km/h zu entscheiden. Die Zuständigkeit für solche Entscheidungen obliegt ihm jedoch nur in einfachen und unstrittigen Fällen und auch nur dann, wenn sich die Abgeordneten die Entscheidung nicht vorbehalten. Ferner wird irreführend oder unwissentlich verschwiegen, dass es sich bei der Anordnung einer Geschwindigkeitsbegrenzung um eine Ermessensentscheidung handelt und der Landrat auch dann die von den Abgeordneten beschlossene Geschwindigkeitsbegrenzung anzuordnen hat, wenn er die Anordnung nicht für angezeigt hält.

Mit freundlichen Grüßen

Friedhelm Prior
Fraktionsvorsitzender

Katy Renner-Köhne
Sprecherin der CDU-Kreistagsfraktion
für Verkehrssicherheit, Verbraucher- und Bevölkerungsschutz

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