Landkreis Hildesheim
Herrn Landrat Bernd Lynack
Marie-Wagenknecht-Str. 3
31134 Hildesheim
Hildesheim 26.02.2024
Förderung der Kinderbetreuung
Beschlussvorschlag
Sehr geehrter Herr Landrat Lynack,
zum Beratungspunkt „Förderung der Kinderbetreuung“ der Sitzung des Ausschusses für Finanzen, Personal, Digitalisierung und Innere Dienste, des Jugendhilfeausschusses, des Ausschusses für Soziales, Jugend und Gesundheit, des Kreisausschusses und des Kreistages übersenden wir folgenden
Beschlussvorschlag:
- Der Landrat wird beauftragt, dem Kreistag in seiner nächsten Sitzung eine überarbeitete Fassung
a) der Vereinbarung zur Wahrnehmung der Aufgaben der Kindertagesbetreuung (Kita-Vertrag),
b) der Richtlinie zur Förderung von Kindern in Kindertagespflege sowie
c) der Grundsätze über die Gewährung von Zuschüssen für Schaffung und Erhalt von Tageseinrichtungen für Kinder vorzulegen mit dem Ziel, dass
- der Anteil der Städte und Gemeinden an dem vom Landkreis und den Städten und Gemeinden aufzubringenden Gesamtbetrag für Kinderbetreuungskosten nach o.a. Buchstaben a) und b) zumindest schrittweise auf max. 10 % abgeschmolzen wird und
- eine stärkere Förderung der Tagesmütter erfolgt.
Daher ist in die Neufassung der o.a. Vereinbarung eine Regelung aufzunehmen, die den Anteil der Städte und Gemeinden an den Personalkosten deutlich absenkt. Dazu ist eine Änderung des § 6 erforderlich.
Ferner ist die Förderung des Landkreises für die Schaffung bzw. die Erhaltung von Plätzen von Kindergärten, Kinderkrippen, Kinderspielkreisen und Kinderhorten deutlich zu erhöhen. Dafür sind die in Nr. 1.4 der o. a. Grundsätze angegebenen Prozentsätze deutlich anzuheben (bisher 55 bzw. 57,5 % der zuwendungsfähigen Kosten).
Eine Sonderregelung ist für die Kommunen zu treffen, die Bedarfszuweisungen erhalten oder bei einer weiteren Übernahme der Kosten für die Kinderbetreuung auf die Erfüllung eigener Aufgaben fast vollständig verzichten müssten.
- Der Landkreis fordert vom Land eine deutlich höhere Förderung für die den Kommunen übertragene Aufgabe der Kinderbetreuung und eine vollständige Übernahme der erforderlichen Personalkosten für die Betreuung der Kinder, die seit dem 01.08.2018 einen Rechtsanspruch auf beitragsfreie Förderung in einer Tageseinrichtung haben.
- Der Landrat wird beauftragt, die Forderung gem. Nr. 2 dem Landtag zu übermitteln.
Begründung:
Allgemeines:
1.1 Der Landkreis hat die Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII im eigenen Wirkungskreis zu erfüllen (§ 1 Nds. AG SGB VIII). Er kann diese Aufgaben den Städten und Gemeinden nicht übertragen. Diese können solche Aufgaben jedoch im Einvernehmen mit dem Landkreis übernehmen; aber auch dann bleibt die Gesamtverantwortung einschließlich der Verantwortung für die Planung beim Landkreis (siehe § 13 Nds. AG SGB VIII). Aufgrund dieser Möglichkeit hat der Landkreis mit den Gemeinden im Jahr 2018/2019 (beschlossen bzw. in Kraft gesetzt) a) eine Vereinbarung zur Wahrnehmung der Aufgaben der Kindertagesbetreuung (Kita-Vertrag), b) eine Richtlinie zur Förderung von Kindern in Kindertagespflege sowie c) Grundsätze über die Gewährung von Zuschüssen für Schaffung und Erhalt von Tageseinrichtungen für Kinder abgeschlossen.
Diese Regelungen sind den aktuellen Gegebenheiten anzupassen.
1.2. Zur Aufgabenverteilung zwischen den Landkreisen und Gemeinden hat das niedersächsische OVG festgestellt (Beschluss vom 22.12.2008 – 4 ME 326/08): „Eine solche Kompetenzverlagerung wäre auch mit § 13 Abs. 1 und 3 AG KJHG und § 69 Abs. 6 SGB VIII nicht vereinbar. Aus diesen Regelungen geht eindeutig hervor, dass nur eine Beteiligung der Gemeinden an der verwaltungsmäßigen Durchführung der dem Landkreis obliegenden Aufgaben der öffentlichen Jugendhilfe ermöglicht werden soll, während die Gesamtverantwortung für die Erfüllung der Aufgaben und damit auch die Zuständigkeit beim Landkreis als örtlichem Träger der Jugendhilfe verbleibt. Gegner eines Anspruchs auf einen Kindergartenplatz ist daher der Landkreis als örtlicher Träger der öffentlichen Jugendhilfe und nicht die kreisangehörige Gemeinde […].“ Demnach ist der Landkreis schadensersatzpflichtig, wenn der Rechtsanspruch auf Betreuung nicht erfüllt wird.
2. Entwicklung der Leistungen und Kosten für die Kinderbetreuung
2.1Die Kosten für die Kinderbetreuung sind in den vergangenen Jahren aufgrund von Personalkostensteigerungen, höheren Anforderungen an Errichtung und Betrieb von Kindergärten sowie erweiterten Rechtsansprüchen auf Betreuung mit derzeit folgendem Stand gestiegen.
Seit dem 01.08.2018 haben Kinder gem. § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII i. V. m. § 20 NKiTaG ab dem ersten Tag des Monats, in dem sie das dritte Lebensjahr vollenden, bis zu ihrer Einschulung einen Rechtsanspruch auf beitragsfreie Förderung in einer Tageseinrichtung in einem Umfang von zumindest 6 Stunden täglich an 5 Tagen in der Woche. (siehe Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 15.12.2021 – 10 ME 170/21). Auch alle anderen Kinder haben bis zur Einschulung einen Anspruch auf Betreuung; dafür sind jedoch Elternbeiträge zu zahlen, die je nach Gemeinde unterschiedlich hoch ausfallen.
Die o.a. Ansprüche sollen nach dem individuellen Bedarf erfüllt werden und neben der Förderung der Kinder auch der Vereinbarkeit von Familie und Beruf dienen. Für berufliche Planung der Eltern ist es wichtig, dass sie sicher davon ausgehen können, dass bedarfsgerecht ein Betreuungsplatz zur Verfügung gestellt wird. Nach unseren Informationen und Ihren o.a. Antworten ist entgegen den gesetzlichen Vorgaben eine bedarfsgerechte Betreuung nicht überall und nicht ausreichend gewährleistet.
2.2 Verteilung der Kosten für die Kinderbetreuung im Landkreis Hildesheim
Im Jahr 2011 haben die Städte und Gemeinden ca. 28,5 Mio. € und der Landkreis ca. 10. Mio. € aufgebracht. In 2020 trugen die Städte und Gemeinden ca. 32 Mio. € und der Landkreis ca. 46 Mio. €. Und im Jahr 2021 wurden die Städte und Gemeinden mit ca. 35,5 Mio. € und der Landkreis mit ca. 46,1 Mio. € belastet. Im Jahr 2024 beläuft sich der Ansatz des Landkreises Hildesheim auf 45,4 Mio. €.
3. Entwicklung der kommunalen Haushalte
3.1 Die Haushaltslage der Städte und Gemeinden hat sich in den vergangenen Jahren zunehmend verschlechtert. Ursächlich dafür waren zumindest auch viele bundes- und landesgesetzliche Regelungen. Die derzeitige wirtschaftliche Situation ist in keiner Weise vergleichbar mit der, die zum Zeitpunkt der Erarbeitung der o.a. Vereinbarung und Grundsätze bestand.
3.2 Für die Einführung des Rechtsanspruchs der Kindergartenkinder auf beitragsfreie Förderung ab dem 01.08.2018, dem die Länder zugestimmt haben, erhalten die Länder erhebliche Bundesmittel. Aufgrund dieser Mittel hat das Land seinen Kostenanteil bei der Förderung der Kindertagesstätten für die Personalausgaben bei Kindergartenkindern von zunächst 20 auf 55% und dann bis 2022 auf 58 % des Finanzhilfebasissatzes erhöht.
Nach Presseberichten hat der niedersächsische Städtetag bereits 2023 vom Land 600 Millionen Euro zusätzlich zur Finanzierung des Personals der Kindertagesstätten gefordert, weil die Finanzhilfe des Landes in 2022 nur gut ein Drittel der Personalkosten abgedeckt hätte.
Diese Zahlen bzw. Prozentzahlen sagen nichts darüber aus, ob die Städte und Gemeinden das tatsächlich verbleibende Defizit noch tragen können. Denn es ist für eine Gemeinde ein erheblicher Unterschied, ob z.B. 40 % von 1 Mio. oder von 2 Mio. € zu tragen sind. Und dies gilt insbesondere dann, wenn die Gemeinde verschuldet ist und ihren Haushalt auf absehbare Zeit trotz Anhebung der Gemeindesteuern nicht ausgleichen kann.
3.3 Aus Sicht des Gemeindehaushalts sind die Kosten für die Kinderbetreuung freiwillige Leistungen, die den Haushalt in allen Kommunen erheblich belasten. Die für solche Leistungen aufgebrachten Kosten sind haushaltsrechtlich grundsätzlich nicht zu rechtfertigen, wenn sie dauerhaft zu einem erheblichen Haushaltsdefizit führen.
Durch die „Beteiligung der Gemeinden an der verwaltungsmäßigen Durchführung der dem Landkreis obliegenden Aufgaben der öffentlichen Jugendhilfe“ (siehe oben 1.2) wird der Landkreis organisatorisch und damit auch finanziell entlastet. Soweit sich die Städte und Gemeinden auch noch an Kosten beteiligen, die für Personal sowie Bau- und Betrieb der Tagesstätten anfallen, darf dies zumindest nicht zu einem erheblichen und dauerhaften Haushaltsdefizit führen, das nur durch eine deutliche Anhebung der Gemeindesteuern ausgeglichen werden kann. Dies ist derzeit bei vielen Städten und Gemeinden der Fall. Daher sind die Zuschüsse des Landes und des Landkreises an die Städte und Gemeinden für diese Aufgabe deutlich zu erhöhen – ohne dass dies der Landkreis durch die Anhebung der Kreisumlage finanziert.
Mit freundlichem Gruß
Friedhelm Prior
Fraktionsvorsitzender
Dirk Bettels
Sprecher der CDU-Kreistagsfraktion für
Jugend, Soziales und Gesundheit
Bernhard Flegel
Sprecher der CDU-Fraktion
für Jugendhilfe
Andreas Koschorrek
Sprecher der CDU-Kreistagsfraktion
für Finanzen,Personal, Digitalisierung und Gesundheit