Erfassung Gewässer dritter Ordnung

Herrn Landrat
Olaf Levonen

im Hause

o.V.i.A.

Hildesheim, den 10.08.2021

Erfassung Gewässer dritter Ordnung

Sehr geehrter Herr Landrat Levonen,

zur Sitzung des Ausschusses für Umwelt Natur, Sicherheit und Ordnung am 12.08.2021 übersenden wir zum Tagesordnungspunkt 10 „Erfassung Gewässer dritter Ordnung“ folgenden

Beschlussvorschlag:

„A) Die im Gebiet des Landkreises Hildesheim vorhandenen Gewässer i. S. v.  § 3 Nr. 1 WHG und des Beschlusses OVG Nordrhein-Westfalen vom 29.04.2019 (Az.: 20 A 3187/17) sind mit Angaben über Lage, Fläche und Verlauf einschl. der Ufer und Gewässerradstreifen in einer „Gewässerdatenbank Landkreis Hildesheim“ zu erfassen. Die Datenbank soll ergänzend zu bereits bestehenden Kartierungen oder Geo-Informationssystemen (GIS) aufgebaut und fortlaufend aktualisiert werden sowie neben Angaben zu den Gewässereigenschaften insbesondere Auskunft geben darüber:

  1. wer an welchen Stellen oder Uferseiten bzw. Gewässerrandstreifen jeweils allein oder mit wem zusammen nach dem Wasserrecht unterhaltungspflichtig ist: a) als Kommune, b) Unterhaltungsverband, c) Verein oder d) sonstige Stelle,
  2. welche Gewässer seit wann a) teilweise und b) vollständig in ein Verzeichnis nach § 58 Absatz 1 Satz 2 Niedersächsisches Wassergesetz (NWG) eingetragen sind,
  3. welche a) Quellbereiche mit Sturz-, Tümpel- oder Sickerquellen, b) Ufer bzw. Gewässerrandstreifen nach Auffassung des Landkreises in welchen Abschnitten (Lage, Länge, Größe) den wasser- und naturschutzrechtlichen Anforderungen genügen,
  4. für welche Flächen gem. § 58 Absatz 2 NWG angeordnet wurde bzw. angeordnet oder vereinbart werden sollte, dass Gewässerrandstreifen mit standortgerechten Gehölzen bepflanzt oder sonst mit einer geschlossenen Pflanzendecke versehen werden,
  5. in welcher Höhe Haushaltsmittel beim Landkreis aktuell für Entschädigungs- oder Ausgleichszahlungen nach § 59 Absatz 2 NWG zur Verfügung stehen, für welche Maßnahmen gezahlt wurden und vorgesehen sind,
  6. welche Fördermittel für Gewässerunterhaltungsmaßnahmen beantragt werden können: insbesondere für Maßnahmen, die zur Erreichung der Ziele der WRRL oder des § 21 Abs. 5 und 6 BNatSchG dienen.
  7. welche Maßnahmen im Sinne von Nr. 6.
    a) von welchen Stellen, wo und in welcher Zeit durchgeführt worden sind, durchgeführt werden oder für wann geplant sind,
    b) vom Landkreis oder welchen anderen Stellen wann, in welcher Form und Höhe gefördert worden sind, gefördert werden oder gefördert werden sollen,
  8. welche wasserrechtlichen Erlaubnisse oder Gestattungen wem, wann erteilt oder ganz oder teilweise entzogen worden sind,
  9. wo und wie sich der Grundwasserspiegel in den vergangenen 20 Jahren verändert hat und jährlich verändert,
  10. wo und welche Maßnahmen zum Hochwasserschutz vorhanden oder geplant sind.“

B) Die o. a. Datenbank ist unverzüglich und unabhängig von den aufzunehmenden Daten einzurichten. Sie ist technisch und administrativ-organisatorisch von der Kreisverwaltung oder im Auftrag des Landkreises von Dritten möglichst so aufzubauen und zu verwalten, dass sie bereits in der Aufbauphase genutzt werden kann. Zudem soll die Datenbank so aufgebaut werden, dass sie nach Bedarf auch um Bild- oder Videodateien erweitert und weitgehend auch von Dritten (z. B. Kommunen und Unterhaltungsverbänden) genutzt werden kann.

Begründung:

A) Der Beschlussvorschlag dient der Umsetzung unserer Hauptsatzung bzw. Agenda 21 bzw. Agenda 2030 bzw. einem nachhaltigen Gewässer-, Natur- und Artenschutz. Die Gewässer dritter Ordnung sind die „Kapillargefäße“ unserer Natur; werden sie geschädigt oder gar beseitigt, schadet oder zerstört dies ganz Ökosystem. Daher müssen diese Gewässer mehr als bisher gepflegt und entwickelt werden. Dafür erforderliche Maßnahmen sind kurz,- mittel- zu planen und durchzuführen. Dies ist sachgerecht nur möglich, wenn ausreichende Informationen über den Zustand auch dieser Gewässer erfasst, dokumentiert und auswertbar sind.

Die Bedeutung der Gewässer dritter Ordnung beschreibt auch die Ausgabe „wib Wasserrahmenrichtlinie-InfoBörse vom 1.10.2013 der Kommunale Umwelt-AktioN U.A.N. (Niedersachsen). Darin wird berichtet: „80% des niedersächsischen Gewässernetzes sind Gewässer 3. Ordnung … Mit dem Rückgang von Hecken und anderen Ackerbegleitstrukturen (insbesondere in Regionen mit flächenintensiver Landwirtschaft) geht auch eine deutliche Artenverarmung einher. Insbesondere an Gewässern besteht ggf. die Möglichkeit, mit Gewässerrandstreifen Lebensraum für Arten zu schaffen, der bei entsprechender Ausprägung zudem auch Deckung und Ruhezone für Wild sein kann (siehe Foto). Die Gewässer 3. Ordnung haben zusammengenommen mehr als 130.000 km Länge, sie bieten ein großes Potenzial für Strukturvielfalt im Randbereich (z. B. Hochstaudenfluren und Buschwerk), die wiederum jagdlichen Interessen im Sinne der Hege und Pflege entgegenkommen können.“

B) Die „Gewässerdatenbank Landkreis Hildesheim“ ist für eine sachgerechte Erfüllung der dem Landkreis insbesondere als untere Wasser- und Naturschutzbehörde übertragenen Pflichtaufgaben erforderlich.

Sie wird fortlaufend eine Beurteilung über den Gewässerzustand im Landkreis Hildesheim ermöglichen, die Erfolge der Bewirtschaftung und den Unterhaltungsbedarf auch in Abhängigkeit von Hochwasserschutzmaßnahmen sichtbar machen, die Grundlage für eine mittelfristige Finanzplanung sowie die Zusammenarbeit des Landkreises mit den anderen Unterhaltungspflichtigen verbessern.

  1. Die durch das Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) des Bundes und das Niedersächsische Wassergesetz (NWG) umgesetzte Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) der EU fordert, für alle Gewässer (einschl. des Grundwassers) von der Quelle bis zur Mündung einen guten ökologischen Zustand zu erhalten oder zu erreichen. Und § 21 Abs. 5 und 6 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) fordern konkret: „Unbeschadet des § 30 sind die oberirdischen Gewässer einschließlich ihrer Randstreifen, Uferzonen und Auen als Lebensstätten und Biotope für natürlich vorkommende Tier- und Pflanzenarten zu erhalten. Sie sind so weiterzuentwickeln, dass sie ihre großräumige Vernetzungsfunktion auf Dauer erfüllen können. Auf regionaler Ebene sind insbesondere in von der Landwirtschaft geprägten Landschaften zur Vernetzung von Biotopen erforderliche lineare und punktförmige Elemente, insbesondere Hecken und Feldraine sowie Trittsteinbiotope, zu erhalten und dort, wo sie nicht in ausreichendem Maße vorhanden sind, zu schaffen (Biotopvernetzung).“Am 09.06.2021 ist das Gesetz über den wasserwirtschaftlichen Ausbau an Bundeswasserstraßen zur Erreichung der Bewirtschaftungsziele der Wasserrahmenrichtlinie (WaStrGuaÄndG) in Kraft getretenen. Darin wird die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) ausdrücklich beauftragt, auch die Binnenwasserstraßen des Bundes so auszubauen oder zu unterhalten, wie es zur Erreichung der Ziele der WRRL erforderlich ist. Der Bund strebt an, dies in Kooperation mit den Ländern und Kommunen umzusetzen. Die WSV will das Bundesprogramm Blaues Band Deutschland im Bereich der Bundeswasserstraßen und ihrer Ufer umsetzen mit dem Ziel, im Netz der Bundeswasserstraßen unter Berücksichtigung des Hochwasserschutzes einen Biotopverbund von nationaler Bedeutung zu errichten.
  1. Für den Landkreis ist es entsprechend den in Nr. 1. genannten Regelungen und Zielen erforderlich, die Lage und den Zustand seiner Gewässer einschl. der Ufer und Gewässerrandstreifen vollständig zu erfassen. Denn nur auf dieser Grundlage ist eine nachhaltige Gewässerunterhaltungsplanung möglich.
  2. Bereits bei den Beratungen zum ehrenamtlichen Projekt „Gewässer dritter Ordnung“, bei dem ergänzend zu den amtlichen Daten eine Beschreibung der Gewässer insbesondere zu kulturellen und pädagogischen Zwecken anstrebt wird, hatte die Kreisverwaltung eine Gewässerstrukturgütekartierung für Fließgewässer dritter Ordnung gefordert. Dies sollte ehrenamtlich innerhalb von fünf Jahren auf der Grundlage des Erfassungsbogens des Landes Niedersachsen erfolgen; und die Formatierung der Werte sollte geeignet sein, in das vom Landkreis genutzte GIS überspielt zu werden. Eine solche Arbeit war und ist jedoch ehrenamtlich nicht leistbar und zudem nicht ausreichend, um die Aufgaben der Wasser- und Naturschutzbehörde sachgerecht planen und durchführen zu können.
  3. Gem. der Antwort der Kreisverwaltung vom 19.04.2021 auf die Anfrage 201 vom 02.02.2021 hat der Landkreis über die Gewässer dritter Ordnung keine und über andere Gewässer nur begrenzte Informationen. Dies wird auch bestätigt dadurch, dass bisher im Bereich bekannter Altlasten keine ausreichenden Untersuchungen belasteter Grundwässer erfolgt sind.“

Mit freundlichen Grüßen

gez. Klaus Bruer                                             gez. Friedhelm Prior
Fraktionsvorsitzender der                           Fraktionsvorsitzender der
SPD-Kreistagsfraktion                                  CDU-Kreistagsfraktion

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