Gully-Deckel-Attacke

Als unverantwortlich bezeichnet die CDU-Kreistagsfraktion die vom Landrat Lynack (SPD) öffentlich vertretene Meinung darüber, wann eine nach dem Gesetz für die Unterbringung psychisch kranker Menschen geforderte „gegenwärtige erhebliche Gefahr“ vorliegt. Der Landrat wirft hier verschiedene Dinge in einen Topf. Statt über die Beurteilung einer Gefahr, reden Sie in der Presse über „Akut-Situation“ oder „akute Fremdgefährdung“ und behaupten sodann (siehe Hildesheimer Allgemeine Zeitung am 08.11.2022): „Es gehe bei der Bewertung einer Akut-Situation nicht darum, „was jemand letzte Woche gesagt oder getan hat oder was eventuell nächste Woche passieren könnte“. Diese Äußerung geht völlig an der Frage vorbei, ob zur Abwehr einer Lebensgefahr, die vom Tatverdächtigen der Gullydeckel-Attacke ausgeht, beim Gericht ein Antrag auf Unterbringung zu stellen ist. Für die Beantwortung dieser Frage kommt es genau darauf an, was in Zukunft „eventuell nächste Woche passieren könnte“. Bei einer Morddrohung muss eine Prognose über die Wahrscheinlichkeit einer Tatausführung erstellt werden. Dabei gilt nach der Rechtsprechung: „Je höherrangig das betroffene Rechtsgut und je größer der ihm drohende Schaden wiegen, desto geringere Anforderungen können an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gestellt werden.“ Die Erforderlichkeit von Prognosen hat das Bundesverfassungsgericht (z. B. zur Verhinderung schwerer Sexualstraftaten) ausdrücklich bestätigt: „Der Hinweis auf Unsicherheiten bei der Prognose, die Grundlage der Unterbringung ist …, beseitigt weder die Eignung noch die Erforderlichkeit des Freiheitseingriffs. Prognoseentscheidungen bergen stets das Risiko der Fehlprognose, sind aber gleichwohl unumgänglich … Die Prognose ist und bleibt daher als Grundlage jeder Entscheidung über eine präventive Freiheitsentziehung unverzichtbar“ (Urteil vom 10.02.2004 – 2 BvR 834/02 und 2 BvR 1588/02).

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