Herrn Landrat
Olaf Levonen
o. V. i. A.
Hildesheim, 01.09.2021
Übertragung der Gesellschafteranteile der Volkshochschule Hildesheim gGmbH auf den Landkreis Hildesheim
Sehr geehrter Herr Landrat Levonen,
zum o. a. Beratungspunkt der nächsten Sitzung des Kreisausschusses übersenden wir folgenden Beschlussvorschlag zu den Bemühungen des Landkreises (LK) und der LK-Holding, vom Verein Hildesheimer Volkshochschule e. V. (Verein) zumindest einen Geschäftsanteil der VHS gGmbH (VHS) zu kaufen.
Beschlussvorschlag:
1. Die Verwaltung wird beauftragt, dem Kreistag in seiner übernächsten Sitzung einen Plan vorzulegen zur Gründung und zum Betrieb einer “Kreisvolkshochschule Hildesheim“ a) als neue gGmbH oder b) als Eigenbetrieb wie vor Gründung der VHS oder c) zunächst als Eigenbetrieb mit dem Ziel einer neuen gGmbH. Der Plan soll zu den Alternativen nach Buchstaben a) bis c) insbesondere enthalten
1.1 die Vor- und Nachteile,
1.2 einen Zeit- und Ablaufplan, der insbesondere die jeweils erforderlichen gesellschaftsrechtlichen Entscheidungen, Maßnahmen zurVorbereitung auf eine Kündigung (§ 723 BGB) und alle arbeits- und steuerrechtlichen Belange auch hinsichtlich des Personals berücksichtigt (ggf. Änderung des LK-Stellplanes), dass ggf. nach und nach von der jetzigen VHS zur neuen Kreisvolkshochschule wechseln möchte/könnte,
1.3 konkrete Vorschläge zum Inhalt und zur Abfolge der jeweils erforderlichen Beschlüsse und Entscheidungen im Kreistag, Kreisausschuss, in derLK-Holding und der VHS.
2. Die Verwaltung wird beauftragt,
2.1 dem Verein die aus Sicht der Verwaltung nach rechtlicher Beratung durch eine dafür geeignete Kanzlei vertretbaren Vertragsentwürfe für einen Geschäftsanteil (jeweils Kaufvertrag und Änderung des Gesellschaftsvertrages) mit der Bitte um Zustimmung oder Mitteilung der Verkaufsbedingungen zuzusenden,
2.2 diesen Beschluss unverzüglich der Stadt Hildesheim mitzuteilen,
2.3 bei den Landkreiskommunen nachzufragen, ob und unter welchen Voraussetzungen sie sich an einer Kreisvolkshochschule beteiligen würden,
2.4 dem Kreisausschuss in seiner nächsten Sitzung einen ersten Bericht zur
Umsetzung der o. a. Beschlüsse vorzulegen.
2.5 dem Kreistag in seiner nächsten Sitzung einen Bericht darüber vorzulegen ob und unter welchen Umständen es aus welchen Gründen für den LK zweckmäßig wäre, die LK-Holding aufzulösen.
3.Die Vertreter des LK in der LK-Holding und der VHS werden beauftragt, keinen Beschlüssen zuzustimmen, die eine Kündigung der VHS oder Gründung einer “Kreisvolkshochschule“ behindern oder verzögern, und Verträgen der VHS oder des Vereins nur nach Abstimmung und Maßgaben des Kreisausschusses anzustreben.
4.Die o. a. Beschlüsse sind obsolet und nicht auszuführen, wenn der Landkreis oder die LK-Holding bis zum 12.10.2021 jeweils allein oder gemeinsam die Mehrheit der Stimmrechte an der VHS gGmbH durch den Erwerb zumindest eines Geschäftsanteils von dem Verein Hildesheimer Volkshochschule e. V. erworben haben. Wird dem Landkreis oder der LK Holding vor oder nach dem 01.11.2021 von dem Verein Hildesheimer Volkshochschule e. V. schriftlich ein verbindliches Verkaufsangebot unterbreitet, das von der o. a. Nr. 2.1 abweicht, ist dazu der Kreisausschuss nach § 23 Abs. 1 der Geschäftsordnung unverzüglich zu einer Sondersitzung einzuladen, sofern das Angebot einen ausreichenden Erwerb von Geschäftsanteilen und Stimmrechten verspricht.
Begründung:
Gesellschaftsvertrag/Gesellschafter VHS
An der 2004 gegründeten VHS sind zu je 50 % beteiligt: der Verein und die 100 % kreiseigene LK-Holding. Beide verfügen über die gleichen Stimmrechte: pro Euro Geschäftsanteil eine Stimme (§ 47 Abs. 2 GmbH-Gesetz), soweit im Gesellschaftsvertrag nichts anderes vereinbart ist. Der Vertrag ist unbefristet und somit (§ 723 BGB) jederzeit kündbar.
2.Bisherige Finanzierung der VHS
Die VHS verursacht dauerhaft ein Defizit; dies wurde bisher insbesondere getragen durch Zuwendungen
2.1 der LK-Holding in Höhe von ca. 700.000 € (aus Dividendenerträgen von Avacon und ÜWL) und
2.2 des Vereins in Höhe von ca. 300.000 €, die der Verein von der Stadt Hildesheim erhält.
In dem Verein sind Mitglieder des Rates und der Verwaltung der Stadt mitentscheidend vertreten. Die VHS hat jedoch gegenüber dem Verein und der Verein gegenüber der Stadt keinen Anspruch auf Zuschüsse.
3. Steuerrechtliche Situation
Da der LK als juristische Person des öffentlichen Rechts nicht unmittelbar und nicht mittelbar (über seine Holding) die Mehrheit der Stimmrechte hat, ist die Holding auf jeden Fall verpflichtet, ca. 300.000 € Steuern wegen verdeckter Gewinnausschüttung zu zahlen. Diese Steuerpflicht entfällt, wenn überhaupt nur dann, wenn der LK allein oder zusammen mit seiner Holding zumindest einen weiteren Geschäftsanteil erworben hat (§ 8 Abs. 7 KStG)
4. Zukünftige Finanzierung der VHS
4.1 Entfällt die o. a. Steuerpflicht, kann die LK-Holding bei einem entsprechendem Kreistagsbeschluss ihre Zuwendung an die VHS ohne besondere Mehrbelastung um ca. 300.00 € anheben. Dafür hat sich die Mehrheitsgruppe im Kreistag wiederholt ausgesprochen und dies dem Verein mitgeteilt.
Der Zuschuss der Stadt Hildesheim (über den Verein an die VHS) wäre dann nicht mehr erforderlich; die Stadt könnte ca. 300.000 € z. B. für andere kulturelle Zwecke einsetzen.
4.2 Gem. Kreistagsbeschluss vom 15.07.2021 hat die LK-Holding mit der VHS eine Zuwendungsvereinbarung abgeschlossen. Danach übernimmt die LK-Holding stets die Restkosten bzw. das Defizit der VHS, das nach Zuwendungen Dritter verbleibt (z. B. des Vereins oder der Stadt Hildesheim).
Damit ist die Finanzierung der VHS mit den Standorten und Angeboten ab 1.1.2021 auch unabhängig von Zuwendungen Dritte in jedem Fall gesichert.
Daraufhin hat die Kreisverwaltung dem Verein Vertragsentwürfe für den Kauf von zumindest einem Geschäftsanteil zugesandt. Nun soll erklärt worden sein, dass der Verein überhaupt keine Anteile übertragen wolle.
5. Zum weiteren Verfahren
5.1 Verweigert der Verein weiterhin jeden Anteilsverkauf und bleibt die LK-Holding somit ohne Mehrheit der Stimmrechte Mitglied der VHS, muss die LK-Holding bei Fortsetzung der Zuschüsse weiterhin ca. 300.000 € Steuern zahlen. Dann ist es schon haushaltsrechtlich geboten, diese Mitgliedschaft zu kündigen.
Der LK kann bei Wegfall der Steuer allein oder mit seiner LK-Holding – ohne Mehrkosten – eine eigene Kreisvolkshochschule gründen.
Nach einer Kündigung müssten zum Erhalt der VHS der Verein, der kaum eigene Mittel hat, oder andere (z. B. die Stadt Hildesheim) die von der LK-Holding entfallenden Zuwendungen übernehmen (ca. 0,7 bis 1 Mio. €).
5.2 Der Kreistag hat zum Thema VHS u. a. beschlossen:
– am 09.07.2020 (TOP 27.3): „Der Landrat wird gebeten, dem Kreistag in seiner nächsten Sitzung alle erforderlichen Unterlagen und Beschlussvorschläge vorzulegen, die zur Gründung und zum Betrieb einer Kreisvolkshochschule Hildesheim ab dem 1.1.2021 erforderlich sind.“ Dieser Beschluss ist nicht ausgeführt worden.
– am 15.07.2021 (TOP 6.4): „Der Kreisausschuss wird beauftragt, bis auf Widerruf alle Entscheidungen im Zusammenhang mit der Volkshochschule (VHS) Hildesheim gGmbH, der Landkreis Hildesheim Holding GmbH und des Vereins Hildesheimer Volkshochschule e. V. zu treffen.“
5.3 Aufgrund der o. a. Sachlage ist eine erneute Beratung und Beschlussfassung erforderlich.
Mit freundlichem Gruß
gez. Klaus Bruer gez. Friedhelm PriorSPD-Fraktionsvorsitzender CDU-Fraktionsvorsitzender