Landkreis Hildesheim
Herrn Landrat Bernd Lynack
Marie-Wagenknecht-Straße 3
31134 Hildesheim
Hildesheim, 08.07.2024
Lagebericht Rettungsdienst und Notfallversorgung für den Landkreis Hildesheim
Antrag zur Tagesordnung und Beschlussvorschlag
Sehr geehrter Herr Landrat Lynack,
wir bitten Sie, den Beratungspunkt „Lagebericht Rettungsdienst und Notfallversorgung für den Landkreis Hildesheim“ in die Tagesordnung der jeweils nächsten Sitzung des Ausschusses für Verkehrssicherheit, Verbraucher- und Bevölkerungsschutz, des Ausschusses für Jugend, Soziales und Gesundheit, des Kreisausschusses und des Kreistages aufzunehmen und übersenden Ihnen dazu folgenden
Beschlussvorschlag:
Es soll erstmals für das Jahr 2025 ein jährlich fortzuschreibender „Lagebericht Rettungsdienst und Notfallversorgung für den Landkreis Hildesheim“ gefertigt werden.
Als mögliche Inhalte für den Lagebericht kommen z. B. in Betracht:
– Rechtliche Grundlagen
– Zuständigkeiten
– Finanzierung
– Organisation
– Kosten
– übertragene Aufgaben
– Leistungen (insbesondere die Hilfsfrist/Eintreffzeit).
Begründung:
Das Niedersächsische Rettungsdienstgesetz (NRettDG) bestimmt in seinem § 2 Sicherstellungsauftrag
(1) 1Der Rettungsdienst hat als medizinische, funktionale und wirtschaftliche Einheit die flächendeckende und bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit Leistungen nach Absatz 2 dauerhaft sicherzustellen (Sicherstellungsauftrag). 2Die Sicherstellung erfolgt durch den bodengebundenen Rettungsdienst einschließlich der Wasser- und Bergrettung sowie durch die Luftrettung.
(2) Der Rettungsdienst hat
- bei lebensbedrohlich Verletzten oder Erkrankten unverzüglich die erforderlichen medizinischen Maßnahmen am Einsatzort durchzuführen, die Transportfähigkeit dieser Personen herzustellen und sie erforderlichenfalls unter fachgerechter Betreuung mit dafür ausgestatteten Rettungsmitteln in eine für die weitere Versorgung geeignete Behandlungseinrichtung zu befördern (Notfallrettung), wobei dies auch die Bewältigung von Notfallereignissen mit einer größeren Anzahl von Verletzten oder Kranken einschließt (Großschadensereignis), soweit nicht der Eintritt des Katastrophenfalls festgestellt wird,
- bei sonstigen Verletzten oder Erkrankten, bei denen medizinische Maßnahmen notwendig werden könnten, diese in kurzer Zeit am Einsatzort durchzuführen, die Transportfähigkeit dieser Personen herzustellen und sie erforderlichenfalls unter fachgerechter Betreuung mit dafür ausgestatteten Rettungsmitteln in eine für die weitere Versorgung geeignete Behandlungseinrichtung zu befördern (Notfalltransport),
- lebensbedrohlich Verletzte oder Erkrankte unter intensivmedizinischen Bedingungen in eine andere Behandlungseinrichtung zu verlegen (Intensivtransport),
- sonstige Kranke, Verletzte oder Hilfsbedürftige zu befördern, die nach ärztlicher Verordnung während der Beförderung einer fachgerechten Betreuung oder der besonderen Einrichtung eines Rettungsmittels bedürfen oder bei denen dies aufgrund ihres Zustandes zu erwarten ist (qualifizierter Krankentransport).
Der Rettungsdienst kann Arzneimittel, Blutkonserven, Organe und ähnliche Güter befördern, soweit sie zur Versorgung lebensbedrohlich Verletzter oder Erkrankter dienen sollen.“
Und in § 2 BedarfVO-RettD – Grundsätze für die Bedarfsbemessung ist bestimmt:
(1) Der Bedarf an Einrichtungen des Rettungsdienstes ist so zu bemessen, dass in jedem Rettungsdienstbereich eine flächendeckende und bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit Leistungen des Rettungsdienstes gewährleistet ist.
(2) Können Teile eines Rettungsdienstbereichs durch einen benachbarten Träger des Rettungsdienstes schneller versorgt werden, so soll dies bei der Bedarfsplanung berücksichtigt werden. 2Hierzu sind die Bedarfspläne benachbarter kommunaler Träger aufeinander abzustimmen.
(3) Der Zeitraum zwischen der Auslösung der Alarmierung im Einsatzleitsystem bis zum Eintreffen des ersten Rettungsmittels am Einsatzort (Eintreffzeit) soll
- für die Notfallrettung in 95 Prozent der in einem Jahr in einem Rettungsdienstbereich zu erwartenden Einsätze 15 Minuten und
- für den Notfalltransport in 80 Prozent der in einem Jahr im Rettungsdienstbereich zu erwartenden Einsätze 30 Minuten nicht übersteigen.“
Die Aufgaben des Rettungsdienstes sind vom Landkreis und der Stadt Hildesheim als Pflichtaufgabe im eigenen Wirkungskreis zu erfüllen (§ 3 NRettDG). Dies eröffnet eigene Gestaltungsspielräume.
Die derzeitige Leistung der Rettungsdienste muss zumindest außerhalb von Hildesheim verbessert und den veränderten Rahmenbedingungen angepasst werden.
Dafür sind u. a. eine umfassende Bestandsaufnahme und Lagebeschreibung sowie eine mittel- und langfristige Planung zur Erreichung und dauerhaften Gewährleistung der geforderten Leistungen erforderlich.
Ein Ziel sollte es sein, im Bereich jeder Rettungswache (bisher in Alfeld, Bockenem, Gronau, Schellerten, Sarstedt, Sehlem, Sottrum) unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Notaufnahmen eine kürzere Hilfsfrist als bisher gewährleisten zu können.
Dazu sollte der Landkreis, der den Rettungsdienst selbst oder durch Beauftragte sicherzustellen hat, einen Plan aufstellen und regelmäßig fortschreiben, aus dem sich konkret ergibt, wie eine bedarfsgerechte und wirtschaftliche Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen Einrichtungen des Rettungsdienstes sichergestellt werden soll.
Eine wesentliche Rolle dabei spielt die Eintreffzeit bzw. Hilfsfrist (die Minuten zwischen Notfallmeldung und Eintreffen am Notfallort) und die Frage, zu welcher Notaufnahme der Rettungsdienst die Patienten bringen kann.
Dazu gibt es im Landkreis Hildesheim kein ausreichendes Lagebild. Dies ergibt sich aus den Antworten der Verwaltung vom 14.05. und 30.05.2024 auf die große Anfrage der CDU-Kreistagsfraktion zum Rettungsdienst vom 08.02.2024.
Zudem ist das für den Rettungsdienst zuständige Amt in der Kreisverwaltung seit vielen Jahren nur ungenügend besetzt mit der Folge, dass die Überwachung der Rettungsdienste und die fortlaufende Bedarfsermittlung nicht im erforderlichen Umfang erfolgt ist.
Aufgrund der Schließung der Notaufnahme in Alfeld hatte sich die CDU-Fraktion umfassend mit den Themen Rettungsdienst und Notfallversorgung bzw. Notaufnahmen beschäftigt und dabei feststellen müssen, dass viele Fragen aufgrund fehlender Informationen überhaupt nicht oder nur unzureichend beantwortet werden konnten. Dies gilt auch hinsichtlich der Fragen dazu, wie sich die Leistung und Versorgung in den vergangenen Jahren im Bereich der einzelnen Rettungswachen entwickelt hat und welcher Bedarf zukünftig gedeckt werden sollte.
Am 08.02.2024 haben wir die Verwaltung z. B. gefragt: „Wie haben sich in den einzelnen Jahren seit 2017 die a) insgesamt und b) jeweils für den Bereich welcher Rettungswache, die Rettungswachen selbst, Fahrzeug- und Notarztstandorte, Einsatzmittel, Personaleinsatz, Zahl und Dauer der Einsätze sowie Eintreffzeiten verändert bzw. entwickelt?“ Dazu erhielten wir erst am 30.05.2024 die Antwort: „Die Rettungswachen selbst, die Fahrzeug- und Notarztstandorte sowie die Einsatzmittel sind seit 2017 unverändert. Lediglich einer der in Bockenem stationierten Rettungswagen (das Tagesfahrzeug) wird seit dem 01.10.2021 zur Erprobung der besseren Gebietsabdeckung in der Ortschaft Sottrum (Gemeinde Holle) vorgehalten (siehe Antwort zu Frage 7). Soweit es die Veränderung und Entwicklung von Einsatzmittel, Personaleinsatz, Zahl und Dauer der Einsätze sowie Eintreffzeiten anbelangt, liegen dem Landkreis diese Zahlen nicht vor, sondern wären von der Leitstelle der Stadt Hildesheim zu ermitteln. Diese hat dazu mitgeteilt, dass aufgrund des außergewöhnlichen Umfangs dieser Fragestellung, anderweitiger Aufgabenstellungen und der Personalsituation im Fachamt die weitere Beantwortung dieser Frage nicht möglich sei.“
Im Übrigen wurde uns auf unsere o. a. Anfrage u. a. mitgeteilt, dass
- die Kosten für den Rettungsdienst von 2017 bis 2021 um ca. 45 % gestiegen seien (von ca. 15,7 auf ca. 22,5 Mio. €)
- die Höhe der nicht gedeckten Aufwendungen nicht beziffert werden könne, da die Jahre ab 2018 noch nicht endabgerechnet seien,
- man nicht sagen könne, welche Kosten für den Rettungsdienst in den einzelnen Jahren seit 2017 jeweils für den Bereich welcher Rettungswache angefallen seien,
- lediglich bis zum Jahr 2020 jährliche Überprüfungen der Rettungswachen auf ihre Ordnungsmäßigkeit sowie das Leistungsvermögen durchgeführt worden seien
- im Jahr 2023 die Hilfsfrist von 15 Minuten je nach Rettungswache in 10 bis 21 % der Fälle überschritten wurde
- man nicht wisse, wie viele Patienten in 2022 und 2023 in der Notaufnahme des AMEOS Klinikums in Alfeld behandelt wurden; man könne nicht sagen, wer ambulant oder stationär versorgt worden oder selbst oder mit Mitteln des Rettungsdienstes gekommen sei; man kenne nur die Zahl der Einsatzfahrten.
- der Bedarfsplan zuletzt Mitte 2021 fortgeschrieben worden sei und die Ergebnisse eines Gutachtens abzuwarten sei, das man zur Ermittlung der geeigneten Standorte und des zukünftigen Bedarfes in Auftrag gegeben habe,
- man nichts dazu sagen könne, welche personellen, organisatorischen und technischen Maßnahmen derzeit in welchen Krankenhäusern a) erforderlich und b) für wann und von wem geplant sind, um die wegfallenden bzw. weggefallenen Kapazitäten der Notaufnahmen in Alfeld und Holzminden zu kompensieren,
- man nichts dazu sagen könne, wie viele stationäre Betten für die Notfallmedizin die Krankenhäuser Helios Klinikum Hildesheim, St. Bernward Krankenhaus Hildesheim und Johanniter-Krankenhaus Gronau vorhalten und wie viele dort aktuell zur Verfügung stehen bzw. aufgrund von Personalmangel gesperrt sind.
Die Hilfsfrist der Rettungsdienste ist in den verschiedenen Bundesländern etwas unterschiedlich definiert und unterschiedlich lang. Verkürzt ergibt sich folgendes Bild:
Baden-Württemberg 10-15 Minuten
Bayern max. 12 Minuten
Berlin bedarfsgerecht
Brandenburg 15 Minuten
Bremen 10 Minuten
Hamburg 8 – 10 Minuten
Hessen 10 Minuten
Mecklenburg-Vorpommern 10 Minuten
Niedersachsen 15 Minuten
Nordrhein-Westfalen 8 – 12 Minuten
Rheinland-Pfalz 15 Minuten
Saarland 12 Minuten
Sachsen 12 Minuten
Sachsen-Anhalt 12 Minuten
Schleswig-Holstein 12 Minuten
Thüringen 14 – 17 Minuten
Auf unsere Frage, wie sich die Kosten für den Rettungsdienst im Landkreis Hildesheim ändern würden, wenn die Hilfsfrist auf 12 Minuten für den Bereich einer jeden Rettungswache festgesetzt würde, erhielten wir nach ca. 10 Wochen leider nur die Antwort: „Eine Aussage zu den diesbezüglichen Kosten ist daher nicht möglich und wäre bei Bedarf nur gutachterlich zu ermitteln.“
Mit freundlichen Grüßen
Friedhelm Prior
Fraktionsvorsitzender
Katy Renner-Köhne
Sprecherin der CDU-Kreistagsfraktion
für Verkehrssicherheit, Verbraucher- und Bevölkerungsschutz
Dirk Bettels
Sprecher der CDU-Kreistagsfraktion
für Jugend, Gesundheit und Soziales