Landkreis Hildesheim
Herrn Landrat Bernd Lynack
Marie-Wagenknecht-Str. 3
31134 Hildesheim
Hildesheim, 09.12.2024
Tempo 30 km/h vor den Kindergärten in Hotteln und Groß Düngen
Beschlussvorschlag
Sehr geehrter Herr Landrat Lynack,
zum Tagesordnungspunkt 14 der Sitzung des Kreisausschusses am 09.12.2024 sowie zum Tagesordnungspunkt 22 der Sitzung des Kreistages am 12.12.2024 übersenden wir folgenden
Beschlussvorschlag:
Der Landrat wird gebeten,
gem. den Beschlüssen des Kreisausschusses vom 09.10.2023 und 20.11.2023 zur Anordnung einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h
a) vor der „Ev.-luth. Kindertagesstätte St. Dionysos in Hotteln“ und
b) vor der „Kindertagesstätte Cosmas und Damian, der Joseph-Müller-Grundschule, der Sporthalle Groß Düngen und der AWO Tagespflegeeinrichtung Groß Düngen“
die Geschwindigkeitsbeschränkungen unverzüglich anzuordnen, wenn die Landesregierung dies bis Ende Januar nicht eindeutig durch eine Weisung nach § 88 NKomVG untersagt.
Für den Fall, dass eine solche Weisung erfolgt, wird der Landrat gebeten, von einer geeigneten Kanzlei prüfen zu lassen, mit welcher Klage und welcher Aussichten auf Erfolg die Umsetzung der o.a. Beschlüsse gerichtlich durchgesetzt werden kann.
Für den Fall, dass keine solche Weisung erfolgt und sich der Landrat weiterhin weigert, die o.a. Beschlüsse auszuführen, soll durch eine Organklage geklärt werden, ob die Beschlüsse auszuführen sind.
Begründung:
Der Landrat hat die o. a. Beschlüsse bisher nicht umgesetzt. Dies weiterhin zu unterlassen ist nicht gerechtfertigt, da bisher keine rechtlichen Bedenken gegen die Beschlüsse vorgetragen worden oder ersichtlich sind. Hinzu kommt, dass nach der Änderung des StVO auch Spielplätze in den Katalog des § 45 Abs. 9 Satz 4 Nr. 6 der Vorschrift aufgenommen worden sind.
Da der Landrat die irrige Auffassung vertritt, die Einrichtungen müssten über einen direkten Zugang zu einer klassifizierten Straße verfügen, ist nochmals auf die dazu vorliegende Verwaltungsvorschrift, Gesetzesbegründung und Rechtsprechung hinzuweisen:
In der Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) heißt es:
„Innerhalb geschlossener Ortschaften ist die Geschwindigkeit im unmittelbaren Bereich von an Straßen gelegenen Kindergärten, -tagesstätten, -krippen, -horten, allgemeinbildenden Schulen, Förderschulen für geistig oder körperlich behinderte Menschen, Alten- und Pflegeheimen oder Krankenhäusern in der Regel auf Tempo 30 km/h zu beschränken,
soweit die Einrichtungen über einen direkten Zugang zur Straße verfügen
oder
im Nahbereich der Einrichtungen starker Ziel- und Quellverkehr
mit all seinen kritischen Begleiterscheinungen (z. B. Bring- und Abholverkehr mit vielfachem Ein- und Aussteigen, erhöhter Parkraumsuchverkehr, häufige Fahrbahnquerungen durch Fußgänger, Pulkbildung von Radfahrern und Fußgängern) vorhanden ist.“
In der Gesetzesbegründung (BR-Drs. Drucksache 332/16 vom 15.06.16, Seite 14) heißt es: „Der abgesenkte Geschwindigkeitsbereich ist dabei in der Regel auf den unmittelbaren Bereich der Einrichtung auf insgesamt 300 m Länge zu begrenzen“
Nach dem Urteil des VG Stade vom 24.08.2022 – 1 A 1756/18 – kann der Eingang auch 70 m entfernt liegen. In dem Urteil heißt es:
“Amtliche Leitsätze: 1. Der Begriff des unmittelbaren Bereichs von an diesen Straßen gelegenen allgemeinbildenden Schulen i.S.d. § 45 Abs. 9 Satz 4 Nr. 6 StVO bezieht sich nicht nur auf die Grenzen des Schulgrundstücks. Vielmehr muss dieser Bereich unter Berücksichtigung der konkreten Umstände bestimmt werden… Denn in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger erklärt, der Gebäudeeingang, der von der J. aus zu erreichen ist, werde von ca. 40% und damit fast der Hälfte der Schüler benutzt. Dass sich diese Eingänge auf dem Schulgelände in einer Entfernung von ca. 70 m zur J. befinden, ändert an diesem Ergebnis nichts. Denn sofern die Kinder – regelmäßig in Gruppen – den Schulhof über die J. verlassen, sind diese denselben Gefahren des Straßenverkehrs ausgesetzt, wie wenn sie aus dem Schulgebäude unmittelbar auf die Straße treten würden.
39Entgegen der Auffassung des Klägers sind die verkehrsbehördlichen Anordnungen auch für den unmittelbaren Bereich der Schule ergangen. Der unmittelbare Bereich im Sinne dieser Vorschrift bezieht sich nicht nur auf die Grenzen des Schulgrundstücks. Vielmehr muss dieser Bereich im individuellen Fall bestimmt werden, wobei der Sinn und Zweck der streckenbezogenen Geschwindigkeitsbegrenzung vor sensiblen Einrichtungen und der gesetzgeberische Wille zu berücksichtigen sind. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, verkehrsunerfahrene Kinder vor den
Gefahren des Straßenverkehrs zu schützen. Insoweit erfasst die Vorschrift des § 45 Abs. 9
Satz 4 Nr. 6 StVO als sensible Bereiche allgemeinbildende Schulen, weil dort erfahrungsgemäß vor allem in den unteren Altersklassen ein unachtsames Verkehrsverhalten vermehrt noch anzutreffen ist. Ältere Kinder und Jugendliche, die mit dem Rad zur Schule fahren, bewegen sich dort zudem im „Pulk“ und sind als Verkehrsteilnehmer oft abgelenkt und einer gewissen Gruppendynamik ausgesetzt (BR-Drs 332/16 S. 11). Abzustellen ist gerade nicht nur auf die Schule bzw. das Schulgrundstück, sondern auch auf den, mit der Schule verbundenen, Schulweg. Denn die Kinder begegnen regelmäßig erst den Gefahren des Straßenverkehrs, wenn sie das Schulgrundstück verlassen und den Weg zur bzw. von der Schule bewältigen. Dieses Verständnis steht auch ausdrücklich mit dem gesetzgeberischen Willen in Einklang. Denn in der Gesetzesbegründung (BR-Drs. Drucksache 332/16 vom 15.06.16, Seite 14) heißt es: „Der abgesenkte Geschwindigkeitsbereich ist dabei in der Regel auf den unmittelbaren Bereich der Einrichtung auf insgesamt 300 m Länge zu begrenzen“
40Hierdurch hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass er den unmittelbaren Bereich in der Regel auf 300 m ausdehnt, weil ansonsten der verfolgte Schutzzweck nicht zu erreichen wäre. Andererseits wird hierdurch dem Umstand Rechnung getragen, dass sich die typischen Begleiterscheinungen des Schulbetriebes (z B. Pulkbildungen, Bring-/ Abholverkehr) regelmäßig nach 300 m auflösen.“
Mit freundlichen Grüßen
Friedhelm Prior
Fraktionsvorsitzender